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30. Januar 2023
Redaktion
Telematik-Infrastruktur

Telematik-Infrastruktur: Digital vernetzt im Gesundheitswesen

Noch sind die Leistungserbringer aus dem Hilfsmittelbereich nicht an die Telematik-Infrastruktur angeschlossen, mit der künftig alle Akteure im Gesundheitswesen digital vernetzt werden sollen. Doch schon ab 2024 können die Leistungserbringer freiwillig teilnehmen. Und ab dem 1. Januar 2026 besteht die Pflicht zur Teilnahme. Damit die Vorteile der Digitalisierung genutzt werden können, ist es schon jetzt sinnvoll, sich mit der Telematik-Infrastruktur auseinanderzusetzen.
Digitale
Foto: envfx/AdobeStock

Die Anfänge der Digitalisierung im Gesundheitswesen reichen bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Stichwort ist hier der Datenträger- bzw. Datenaustausch nach § 302, SGB V. Bereits im Jahr 1992 hatte der Gesetzgeber im Rahmen des Gesundheitsstrukturgesetzes die Krankenkassen verpflichtet, nur noch dann Leistungen zu vergüten, wenn die entsprechende Abrechnung auf maschinenlesbaren oder maschinell verwertbaren Datenträgern erfolgt.

Wenn heute über die Digitalisierung im Gesundheitswesen gesprochen wird, geht dies weit über die Abrechnung von Leistungen hinaus. Unter dem Stichwort Telematikinfrastruktur sollen in wenigen Jahren alle Akteure im Gesundheitswesen digital vernetzt sein. Dies gilt nicht nur für Ärzte, Kliniken oder Pflegeeinrichtungen, sondern für alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen – und damit auch für die Gesundheitshandwerke.

Alle Akteure im Gesundheitswesen digital vernetzen

Das wesentliche Ziel ist, medizinische Informationen, die für die Behandlung von Patienten benötigt werden, schneller und einfacher verfügbar zu machen. Die Telematikinfrastruktur soll alle Beteiligten miteinander verbinden. In einer abgesicherten Umgebung sollen sie Patientendaten und Behandlungsinformationen austauschen können. Was heute noch in Papierform kommuniziert wird, wie zum Beispiel Verordnungen und Dokumentationen, soll zukünftig über diese digitale Datenautobahn abgewickelt werden.

Die Telematikinfrastruktur, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung im GKV-Modernisierungsgesetz von 2004, in dem die Digitalisierung des Gesundheitswesens verankert wurde. Richtig Fahrt aufgenommen hat das Thema aber erst in jüngster Zeit, als zum Beispiel durch das E-Health-Gesetz (2016), das Digitale-Versorgung- Gesetz und das Patientendaten-Schutz-Gesetz (beide 2020) die gesetzlichen Grundlagen für den heutigen Ausbau der digitalen Infrastruktur geschaffen wurden.

Übergeordnete Institution für die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist die 2005 gegründete Gematik GmbH. Die Gesellschafter sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das 51 Prozent der Anteile hält, die Bundesärztekammer (BÄK), die Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Deutsche Apothekerverband (DAV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-SV), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV). Finanziert wird die Gematik zu 93 Prozent vom GKV-Spitzenverband und zu sieben Prozent vom Verband der Privaten Krankenversicherung.
Die Gematik hat eine Art Wächterfunktion bei der Telematikinfrastruktur und soll einen sicheren Betrieb für alle Teilnehmer gewährleisten.

Ärzte, Psychotherapeuten, Kliniken und Apotheken wurden bereits an die Telematikinfrastruktur angeschlossen. Für einen möglichst reibungslosen Übergang in die digitale Welt der Telematikinfrastruktur sollen die jeweiligen Berufsgruppen nacheinander angebunden und mit den neuen Diensten ausgestattet werden.

Bausteine der Telematikinfratstruktur

Die Telematikinfrastruktur besteht aus mehreren Bereichen bzw. Säulen, die alle miteinander verbunden werden sollen:

Elektronische Gesundheitskarte (eGK)

Sie ist der individuelle Gesundheitsausweis und Nachweis einer Versicherung für Patienten. Die eGK soll die Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) unterstützen. Um medizinische Leistungen der Krankenkassen in Anspruch zu nehmen und sich als versicherte Person zu identifizieren, muss an fast allen Stellen im Gesundheitsbereich die eGK vorgelegt und eingelesen werden. Die Anwendungen der eGK werden seit Herbst 2020 schrittweise eingeführt. Derzeit sind administrative Daten der Versicherten, zum Beispiel Name, Geburtsdatum und Anschrift sowie Angaben zur Krankenversicherung, wie die Krankenversichertennummer und der Versichertenstatus (Mitglied, Familienversicherter oder Rentner), gespeichert. Auf der eGK sollen aber auch Notfalldaten gespeichert werden können, die in lebensbedrohlichen Situationen entscheidend für die Behandlung sind, sowie ein Medikationsplan, der den Arzt zum Beispiel über möglichweise lebensgefährliche Wechselwirkungen von Medikamenten informiert.

Versichertenstammdatenmanagement (VSDM)

Bis zur Einführung des VSDM konnten die Stammdaten eines Versicherten zwar von der elektronischen Gesundheitskarte gelesen werden, jedoch nicht aktualisiert bzw. angepasst werden. Das Versichertenstammdaten-Management ermöglicht die Onlineprüfung und Onlineaktualisierung von Versichertenstammdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte. Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Pflichtanwendung, die bestätigt, dass ein Versicherter im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung Leistungen beanspruchen darf. Zu den Versichertenstammdaten gehören persönliche Daten des Versicherten, Informationen zur Krankenversicherung sowie Angaben zum Versicherungsschutz und zur Kostenerstattung. Die Prüfung der Versichertenstammdaten ist bei jedem ersten Arzt-Patienten-Kontakt je Quartal verpflichtend.

Elektronische Patientenakte (ePA)

Ist ein Patient beim Arzt, benötigt dieser für seine Untersuchung und die Therapieentscheidung häufig zusätzliche Informationen über den Patienten. Welche Medikamente werden eingenommen? Welche Vorerkrankungen liegen vor? Welche Untersuchungen wurden im Vorfeld schon vorgenommen? Wie reagierte der Patient auf frühere Behandlungen? Oft sind diese Daten vorhanden, jedoch auf unterschiedliche Arztpraxen verteilt und damit aufwändig und vor allem häufig nicht zeitnah zu beschaffen.

Seit dem 1. Januar 2021 können alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) ihrer Krankenkassen erhalten. Individuelle, gesundheitsbezogene Daten, Dokumente und Unterlagen können so von Patienten an einem Ort eingesehen werden und ausgewählten medizinischen Akteuren (z. B. Ärzten, Apothekern und sämtlichen Hilfsmittelerbringern) zur Verfügung gestellt werden. Der Patient selbst soll bestimmen, wer diese Daten einsehen kann.

Zahlreiche gesetzliche Krankenversicherungen bieten hierzu spezielle Apps für Smartphone und Tablet an. Teilweise kann die ePA auch über einen normalen Rechner genutzt werden.

Kommunikation im Medizinwesen (KIM)

Mit KIM soll es einfach und schnell möglich sein, Daten von Patientinnen und Patienten über Einrichtungen, Sektoren und Fachbereiche hinweg wie mit einem E-Mail-Programm weiterzugeben, zum Beispiel vom Facharzt zum Hausarzt, aber auch von und zu Leistungserbringern. Da es sich hier meist um sensible Daten handelt, werden Nachrichten, die auf diesem Weg verschickt werden, automatisch verschlüsselt und signiert.

E-Rezept/E-Verordnung

Das E-Rezept wird das Papierrezept ablösen. Das E-Rezept wird nur noch digital erstellt und signiert und ermöglicht zum Beispiel die digitale Verordnung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Nach der Patientenuntersuchung stellen Ärzte das Rezept in die Telematikinfrastruktur ein. Versicherte können das Rezept mit einer Smartphone-App digital abrufen und bei der Apotheke einlösen. Es ist aber auch möglich, sich einen QR-Code in der Arztpraxis zum Einlösen des Rezeptes in der Arztpraxis ausdrucken zu lassen. Durch das E-Rezept werden die Informationen zur Behandlung des Patienten digital erfasst und können für weitere Anwendungen innerhalb der Telematik-Infrastruktur genutzt werden.

Leistungserbringer aus dem Hilfsmittelbereich erhalten keine Rezepte, sondern Verordnungen. Aber auch diese sollen, ähnlich dem E-Rezept, künftig komplett als elektronische Verordnung digital ausgestellt und weiterverarbeitet werden.

Pilotprojekt für die Gesundheitshandwerke

Die E-Verordnung wird von den Gesundheitshandwerken als Schlüsselbereich angesehen. Schon seit 2011 befasst man sich im Bundesinnungsverband Orthopädietechnik (BIV-OT) mit diesem Thema und hat dazu 2020 einen Arbeitskreis Telematik gegründet. So wurde ein Pilotprojekt aufgesetzt, dem sich die Gesundheitshandwerke und weitere Partner aus dem Bereich der Softwareanbieter, Abrechnungsdienstleister und Verbände im Gesundheitswesen bereits angeschlossen haben.

Hintergrund des Projektes ist, dass die Hilfsmittelversorgung häufig ein komplexer Vorgang ist, weshalb es darauf ankommt, den Prozess praxisorientiert zu gestalten. In einem Feldtest, der für das Frühjahr 2023 geplant ist, soll der komplette Vorgang einer elektronischen Hilfsmittelverordnung abgebildet und untersucht werden. Dabei soll es nicht nur darum gehen, den bisherigen Prozess der Hilfsmittelversorgung digital nachzubauen. Es soll auch erforscht werden, wie man die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen kann, um für alle Beteiligten einen Mehrwert zu schaffen. Der könnte zum Beispiel in einer verringerten Fehleranfälligkeit oder einer einfacheren Kommunikation aller Beteiligten liegen.

Technische Voraussetzungen zur Teilnahme

Die Telematikinfrastruktur soll medizinische Informationen zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens nicht nur schneller und einfacher, sondern vor allem sicherer austauschen. Auf dieses Netzwerk kann deshalb nur zugreifen, wer sich durch die entsprechenden Ausweise legitimiert und die erforderlichen technischen Voraussetzungen im Betrieb hat.

Software überprüfen

Grundvoraussetzung, damit der Anschluss an die TI funktioniert, ist ein Rechner (PC, Laptop o. ä.) mit einer stabilen Internetverbindung. Damit alle Sicherheitsstandards eingehalten werden, brauchen alle Akteure einen VPN-Zugang (Virtual Private Network) zur TI, der von der Gematik zertifiziert und freigegeben werden muss. Die teilnehmenden Betriebe können weiterhin die gewohnte Software nutzen, sofern sie über eine fest von der TI vorgegebene Schnittstelle verfügt. Die Softwareanbieter müssen diesen Standard erfüllen. Eine Zertifizierung der Software durch die Gematik wird empfohlen.

Instituts- und Berufsausweise

Um sicherzustellen, dass nur berechtigte Personen Zugriff auf die TI haben, muss jeder Nutzer sich online identifizieren. Das funktioniert mit sogenannten Praxisausweisen (SMC-B). Die Security Module Card Typ B ist eine institutionsbezogene Smartcard und repräsentiert mit ihren kryptographischen Schlüsseln und Zertifikaten eine Institution innerhalb der Telematikinfrastruktur. Damit kann sich ein Betrieb als Komponente der TI ausweisen und sich gegenüber anderen Komponenten der TI – insbesondere gegenüber der elektronischen Gesundheitskarte – authentisieren. Jede Berufsgruppe im Gesundheitswesen bekommt eine eigene Karte. Zentral verwaltet wird der Zugang über das Gesundheitsberufsregister (eGBR).

Ein elektronischer Heilberufeausweis (eHBA) als digitaler Ausweis für den Behandler ist – im Gegensatz zum Institutionsausweis – für eine TI-Anbindung keine zwingende Voraussetzung. Wer jedoch alle Anwendungen nutzen und zum Beispiel auf personenbezogene Daten der Gesundheitskarte zugreifen möchte, benötigt einen elektronischen Heilberufeausweis. Mit dem Heilberufeausweis können die Leistungserbringer auch eine qualifizierte elektronische Signatur (QeS) erstellen. Diese gilt auf Rezepten, Verordnungen, Arztbriefen und weitere Dokumenten als digitale Authentifizierung und ersetzt die eigenhändige Unterschrift.

E-Health-Terminal und Konnektor

Für die Teilnahme an der TI werden auch ein eHealth-Kartenterminal (eHKT) sowie ein sogenannter Konnektor benötigt. Das eHealth-Kartenterminal ist ein Kartenlesegerät. Es erkennt und liest die elektronische Gesundheitskarte, den Heilberufsausweis, die Institutionskarte sowie Krankenversicherungskarten von privat Versicherten. Es dient somit der Identifikation von Versicherten, Leistungserbringern oder einer Einrichtung. Darüber hinaus gewährleistet das eHKT die sichere Eingabe von Versicherten- oder Leistungserbringer-PINs.

Das eHKT ist bei den Leistungserbringern über eine LAN-Schnittstelle mit einem Konnektor verbunden. Der Konnektor ist eine Hardwarekomponente in der Leistungserbringerinstitution, welche die IT-Systeme des Leistungserbringers – in der Regel das Internet via sicherer VPN-Verbindung – mit der Telematikinfrastruktur verbindet und für einen sicheren Datenaustausch sorgen soll. Eine alternative Betriebsmöglichkeit stellt „TI as a Service“ dar. In diesem Fall befindet sich der Konnektor zentral bei einem Dienstleister im Rechenzentrum, sodass die Betriebe diesen nicht mehr als Hardware im Betrieb vorhalten müssen.

Keine Angst vor der Telematik

Hilfsmittelerbringer können sich ab 2024 freiwillig an die TI anschließen und sich damit frühzeitig mit den neuen Abläufen und der Kommunikation mit der neuen Technik auseinandersetzen. Nach aktuellem Stand ist vorgesehen, dass bis zum 1. Januar 2026 alle Hilfsmittelerbringer an die TI angeschlossen sein müssen. Ab dem 1. Juli 2026 gilt die Verpflichtung, eine E-Verordnung annehmen zu können.

Dass sich die Berufsverbände heute schon mit den künftigen Anforderungen auseinandersetzen ist wichtig und richtig. Noch besteht die Möglichkeit, die Prozesse mitzugestalten, mit denen die Leistungserbringer eingebunden werden. So können auch für die Hilfsmittelanbieter praktikable Lösungen entstehen, welche die Abläufe vereinfachen und tatsächlich in der täglichen Arbeit auch Zeit einsparen.

Betriebe mit moderner Softwareausstattung müssen sich bezüglich des Anschlusses an die Telematikinfrastruktur keine Sorgen machen, zumal die Leistungserbringer voraussichtlich einen Großteil der Kosten für die Schaffung des Zugangs zur TI erstattet bekommen. Die Verhandlungen darüber werden von den Berufsverbänden mit dem GKV-Spitzenverband geführt.

WOLFGANG BEST

Quellen: opta data; https://fachportal.gematik.de; Telematikinfrastruktur kompakt: Alles, was Sie als Hilfsmittelerbringer zur Telematikinfrastruktur wissen müssen. (E-Book, optadata.de/downloads)

 

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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