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10. Juli 2017
Redaktion

Die Sensoren der Fußsohle und ihre Funktionen

Die Funktionen der Sensoren der Fußsohle sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Einlagen eine Wirkung auf das sensomotorische System entfalten können. In dieser Folge der Serie „Einlagen und Sensomotorik“ erfahren Sie, welche Funktionen die verschiedenen plantaren Sensoren haben und wie sie arbeiten.


Die
Foto: Mandrixta/fotolia

Von Wolfgang Laube, Michael Kaune und Gregor Pfaff

Mechanosensoren oder -rezeptoren sind Sinneszellen, die mechanische Reize in elektrische Nervenerregung in Form von Aktionspotenzialen umwandeln und in Richtung Zentrales Nervensystem weiterleiten. In der unbehaarten Haut der Fußsohle und der Hand gibt es vier verschiedene Arten von Sensoren: 

1. die Merkel-Endorgane in der Epidermis,
2. die Ruffini- und
3. die Meissner-Endorgane in der Dermis,
4. die Pacini-Endorgane in der Subcutis.

Worin unterscheiden sich die Sensoren?

Die verschiedenen Mechanosensoren unterscheiden sich in

– ihrer Struktur,
– ihren Entladungsschwellen,
– der Größe ihrer rezeptiven Felder
– den ausgelösten mechanischen Empfindungen und
– in ihrer Anpassung (Adaptation) an den Reiz. Die verschiedenen Sensoren passen sich unterschiedlich schnell und in unterschiedlichem Umfang an die Reize an.

Was versteht man unter Adaptation?

Wenn sich die Sensoren an einen Reiz anpassen, also gewissermaßen „gewöhnen“, verringert sich die Anzahl der Aktionspotenziale, die der Reiz auslöst. Der Reiz wird dann vermindert wahrgenommen.

Unter dem Gesichtspunkt der Adaptation kann man die Sensoren in langsam adaptierende (slow adapting, SA-Sensoren) und schnell adaptierende (rapid- adapting, RA-Sensoren) einteilen.

Langsam adaptierende Sensoren bilden einen konstanten Reiz über die gesamte Einwirkungszeit mit einer kontinuierlichen Sequenz von Aktionspotenzialen ab. Die Beschaffenheit der Sequenz hängt von der Intensität des Reizes ab, die Reizstärke wird proportional abgebildet. Man spricht von einem Proportionalverhalten der Sensoren. 

Schnell adaptierende Sensoren bilden hingegen bevorzugt die Reizdynamik ab. Sie reagieren auf die Geschwindigkeit des Reizes beziehungsweise nur noch auf Beschleunigungen, also Geschwindigkeitsveränderungen. Man spricht von einem Differentialverhalten der Sensoren.

Es gibt auch Sensoren, die das Proportional- und das Differentialverhalten kombinieren. Sie bilden sowohl den Intensitätsanstieg eines Reizes als auch das Reizplateau ab.

Jeder Sensortyp ist somit für besondere Eigenschaften taktiler Reize empfindlich und reagiert mit einem charakteristischem Entladungsverhalten auf die einwirkenden Kräfte, Hautdehnungen, Oberflächenstrukturen und Vibrationen (Aimonetti et al. 2007). So verantworten die verschiedenen Sensoren auch charakteristische Empfindungen (Macefield et al. 1990 zeigten dies für die Hand):

– Merkel-Sensoren erzeugen Druckempfindungen,
– Meissner-Sensoren die Empfindung des Flatterns und
– Pacini-Sensoren das Vibrationsempfinden. (Das Vibrationsempfinden steht für die mögliche Empfindung sehr schneller Einwirkungen auf den Körper. Es ist mit dem Alterungsprozess fortschreitend eingeschränkt und bei einer Neuropathie [Diabetes] gestört oder sogar aufgehoben).

Die langsam adaptierenden Sensoren der Fußsohle

Zu den langsam adaptierenden Sensoren der Fußsohle zählen die Merkel-Endigungen (auch SA-I-Sensoren genannt) mit kleinen rezeptiven Feldern und die Ruffini-Endorgane (SA-II-Sensoren) mit großen rezeptiven Feldern. Diese Sensoren verantworten die Empfindungen Druck und Spannung. 

Die Merkel-Sensoren reagieren empfindlich auf Strukturmerkmale wie Punkte, Kanten und Kurven, sodass sie wesentlich an der Empfindung von Formen und Texturen beteiligt sind.

Die Ruffini-Sensoren reagieren auf Hautdehnungen, weshalb ihre Informationen für die Wahrnehmung von Gelenkstellungen und Bewegungen mitverantwortlich sind.

Beide Sensor-Typen weisen während des Reizanstiegs zugleich Differentialverhalten auf, sie bilden also auch die Veränderung des Reizes ab. Die Adaptation ist bei den Merkel-Endigungen schneller als bei den Ruffini-Endorganen, bei Ersteren fällt die Aktionspotenzial-Sequenz bei konstanter Druckeinwirkung also schneller ab.{pborder}

Die schnell adaptierenden Sensoren der Fußsohle

Zu den schnell adaptierenden Sensoren der Fußsohle gehören die Meissner- Endorgane (RA-I-Sensoren) mit kleinen rezeptiven Feldern. Sie reagieren auf die Geschwindigkeit der Reizeinwirkung, sind also Geschwindigkeitssensoren, und antworten auf Vibrationen zwischen 5 – 100 Hz. Auf der Basis der sehr kleinen rezeptiven Felder sind sie für die Reiz­unterscheidung wichtig und sie beteiligen sich an der Wahrnehmung des Rutschens.

Die ebenfalls schnell adaptierenden Pacini-Endorgane (RA-II-Sensoren) haben große rezeptive Felder und reagieren nur noch auf Änderungen der Geschwindigkeit, also auf Beschleunigungen der Reize. Der adäquate Reiz sind Vibrationen zwischen 50–400 Hz. Bei einem rampenförmigen Reizanstieg mar­kieren sie nur noch den Beginn und das Ende der Rampe. Sie ermitteln die Beschleunigungen am Beginn und am Ende von Hautverschiebungen und reagieren bereits auf Amplituden von 0,01 µm bei 200 Hz (Vibrationssinn). Die Vibrationsfrequenzen stehen für die Beschleunigungen der Reizeinwirkungen, welche von den Sensoren in die körpereigene Sprache übersetzt werden können, das heißt, auf die sie noch in der Lage sind zu reagieren. Die Pacini-Sensoren „erkennen“ also sehr, sehr schnelle Reizeinwirkungen, worauf dann eine muskuläre Antwort organisiert werden kann.

Schnelle Informationsleitung

Die Informationen der langsam und schnell adaptierenden Sensoren der Haut werden von überaus schnellen, markhaltigen Nervenfasern weitergeleitet (Aß-Nervenfasern). Schneller sind nur noch die Informationen aus der Muskulatur.

Wie sind die Sensoren in der Fußsohlenhaut verteilt?

In der Haut der Fußsohle befinden sich zirka 14 Prozent Merkel-Endigungen (SA-I-Typ), zirka 15 Prozent Ruffini-Körperchen (SA-II-Typ), zirka 57 Prozent Meissner-Endorgane (RA-I-Typ) und zirka 14 Prozent Pacini-Endorgane (RA-II-Typ) (Kennedy und Inglis 2002). Somit liefern zirka 30 Prozent der Sensoren (nämlich die langsam adaptierenden Sensoren) Informationen über Druckanstiege und ihre absoluten Werte. Die 70 Prozent der Sensoren (die schnell adaptierenden Sensoren) reagieren auf Einwirkungsgeschwindigkeiten und Änderungen der Reize, also auf Beschleunigungen. Der größere Anteil an schnell adaptierenden Sensoren lässt sich aus einem biologischen Bedarf erklären, denkt man an die hohe Dynamik der plantaren Druckveränderungen während des Ab­roll­vorgangs beim Gehen und – noch weitaus ausgeprägter – beim Laufen. Die Fußsohle kann als eine „dynamometrische Karte“ angesehen werden (Kavounoudias et al. 1998). Die Sensoren decken mit ihren

Eigenschaften und biologischen „Übersetzungsfähigkeiten“ die gesamte Druck­­dynamik des Abrollvorganges auch beim sehr schnellen Laufen ab. Somit können ihre Informationen die muskulären Regulationen zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Körpergleichgewichts selbst bei sehr schnellem Laufen garantieren. Ebenso können sie die dynamischen Muskel­aktivitäten des Gehens wie des Laufens generieren.

Die Reiz- und Empfindungsschwellen

Jeder Sensortyp ist für spezielle taktile Stimuli sensitiv, hat unterschiedliche Entladungsschwellen und ein charakte­ris­tisches Entladungsverhalten auf Druck, Kräfte, Dehnungen, Oberflächenrauheiten und Vibrationen.

Die Entladungsschwelle beschreibt die Reizintensität, bei der Aktionspotenziale ausgelöst werden. Die plantaren, langsam adaptierenden Sensoren vom Typ I (Merkel-Zellen) reagieren auf 35,6mN und die langsam adaptierenden Sensoren Typ II (Ruffini-Körperchen) auf 115,3 mN (Medianwerte). Die Werte der gleichen Sensoren in der unbehaarten Haut der Hand betragen 1,3 mN und 7,5 mN und sind massiv geringer, die Hand ist hier also extrem sensitiver.

Die plantaren, schnell adaptierenden Sensoren Typ I (Meissner-Endorgane) haben Schwellen bei 1,8 mN und die schnell adaptierenden Sensoren Typ-II (Pacini-Endorgane) bei 4,0 mN. Auch diese Sensortypen sind in der Haut der Hand mit 0,58 mN und 0,54 mN ausgeprägt empfindlicher (Hand: vgl. Johansson et al. 1980).

Die höchstgradige Feinsensomotorik eines „Spitzenklavierspielers“ ist auch nur auf dieser biologischen Basis nach „leistungssportlichem“ Training über sehr viele Jahre erreichbar. Oder grob, das Händeln eines rohen Eis wird durch diese extreme Feinfühligkeit ermöglicht. Ältere Menschen haben hier schon häufig Probleme, indem sie zu viel Kraft einsetzen und das Ei zerdrücken.

Die Absolutschwelle gibt die geringste Reizintensität an, mit der eine Empfindung ausgelöst werden kann. Die Unterschiedsschwelle definiert den gerings­ten wahrnehmbaren Unterschied zweier Reiz­intensitäten am gleichen Ort.

Die Zweipunktschwelle bildet den minimal noch wahrnehmbaren Abstand zweier Reize ab (räumliche Auflösung).

Die Schwellen variieren stark zwischen den Körperregionen. Dies liegt zum einen an unterschiedlichen Sensordichten als auch an der unterschiedlichen Verteilung von schnell und langsam adaptierenden Sensoren.

Zugleich gibt es auch Unterschiede in der Verarbeitung der afferenten Informationen in den Ebenen des somatosensorischen Systems bis hin zum primären somatosensorischen Cortex. Dabei spielt auch die Aufmerksamkeit bei der gezielten Auswahl von Afferenzen für eine bestimmte Aufgabe eine Rolle.

Letzteres hat eine wichtige praktische Kon­sequenz. Bei der Diagnostik zur Einlagenversorgung darf die Person nicht abgelenkt sein. Sie muss sich auf die diagnostischen Schritte und Ziele konzentrieren, um korrekte Angaben machen zu können. Die Aufmerksamkeit bestimmt das diagnostische Ergebnis wesentlich mit. Denn nur eine gerichtete und gezielte Aufmerksamkeit führt dazu, dass die Empfindungen und Wahrnehmungen zum Komfort von Schuh und Einlage präzise sind. Man erkennt nur das, worauf man sich richtig und ausreichend konzentriert, und Komfort ist „ein Gefühl“. Auch Schmerz kann bei ungenügender Aufmerksamkeit oder sogar Ablenkung nicht korrekt beschrieben werden.

An der Fußsohle sind die Entladungs- und Wahrnehmungsschwellen der beiden schnell adaptierenden Sensoren-­Typen nicht signifikant verschieden. Die Wahrnehmung wird durch die schnell adaptierenden und nicht durch die langsam adaptierenden Sensoren vermittelt. Das Fußgewölbe ist die sensitivste Region. Beide Schwellen können durch die Härte der Fußsohlenhaut beeinflusst werden (Strzalkowski et al. 2015).

Die absoluten Schwellen für die Wahrnehmung der Vibration an der Fußsohle sind abhängig von der Reizlokalisation und den Kontaktbedingungen. Sie sind sowohl durch die Meissner-Endorgane im Bereich zwischen 20 – 40 Hz als auch die Pacini-Endorgane zwischen 40 – 240 Hz (Gu und Griffin 2011) vermittelt.

„Empfindlichkeitskarte“ des Fußes

Eine Empfindlichkeitskarte der Fußsohle und des Fußrückens für Berührung und Vibration (Hennig und Sterzing 2009) lässt große Empfindlichkeits­unterschiede zwischen den verschiedenen Lokalisationen erkennen. Die Ferse ist am wenigsten sensitiv für Berührung, ist jedoch sehr empfindlich für Vibrationen. Die Fußsohle ist gegenüber dem Fußrücken für Vibrationen sensitiver. Dies entspricht dem hohen Anteil an schnell adaptierenden Sensoren.

Auswirkungen von Belastungen auf die Sensitivität

Vorbelastungen führen zu einer deut­lichen Veränderung der Sensitivität beziehungsweise der Empfindungsschwellen. Die Vibrationsempfindung, vermittelt durch die schnell adaptierenden Sensoren, ist unmittelbar nach einer intensiven Vibra­tionsbelastung (10 Minuten, 42 Hz, Amplitude 2mm) im hochfrequenten Bereich (200 Hz) um den Faktor 5,2 und im niederfrequenten Bereich (30 Hz) um den Faktor 3,8 vermindert und die Druckempfindung (Monofilamenttest) ist halbiert. Die Erholungszeit liegt zwischen 2 – 3 Stunden (Sonza et al. 2013). Somit bestimmen auch physische und psychische Vorbelastungen das diagnostische Ergebnis zum Komfort von Schuh und Einlage.

Langes Stehen erhöht die dorsale und plantare Berührungsempfindlichkeit im Monofilamenttest. Bei jungen Erwachsenen zeigte sich für die Lokalisationen Zehen, Metatarsale-Köpfchen, Mittelfuß und Ferse nach vier Stunden Stehen im Mittel eine höhere Empfindlichkeit um 36 Prozent von 0,56 g auf 0,36 g, wobei der Fußrücken unbeeinflusst blieb (Wiggermann et al. 2012). Ob solche belas­tungsabhängigen Empfindlichkeits­änderungen auch zu einer Schmerzempfindung führen können, wäre eine wichtige Fragestellung.

Ältere Menschen haben signifikant erhöhte plantare Schwellen für das Vibrationsempfinden. Sie sind demnach unempfindlicher für hohe Vibrationsfrequenzen (Inglis et al. 2002). Dies resultiert aus dem bevorzugten Verlust schnell ­adaptierender Sensoren durch den Alterungsprozess.

Unterschiede zwischen der Haut des Fußes und der Hand

Im Vergleich mit der unbehaarten Haut der Hand weisen die Sensoren der plantaren Haut im unbelasteten Zustand keine Ruheaktivität auf. Alle Sensortypen der Fußsohle haben wesentlich höhere Aktivierungsschwellen, sie haben größere rezeptive Felder und es konnte keine bevorzugte Verteilung von Sensoren in bestimmten Regionen gefunden werden.

Bei der Hand liefern die schnell adaptierenden Sensoren und die langsam ­adaptierenden Sensoren des Typs I die Informationen für die räumliche Analyse, das Erkennen von Formen und deren Unterscheidungsfähigkeit. Hierfür sind die Finger mit einer höheren Sensordichte und einem Dichtegradient von proximal nach distal ausgestattet. Die Fußsohle hat dagegen die Hauptfunktion, Informationen zur „Kontrolle der Gewichtskraft“ zu liefern. Ihre Sensoren kodieren die räumliche Repräsentation der Körperposition (Roll et al. 2002).

Unterschiede zwischen unbehaarter und behaarter Haut

Es lassen sich deutliche Unterschiede in den Aktivierungsschwellen, im Sensorbesatz und den rezeptiven Feldern zwischen der plantaren und palmaren Haut und den jeweils benachbarten behaarten Hautarealen des Handrückens, des Unterschenkels beziehungsweise des Unterarms finden. Diese haben ihren Ursprung in den unterschiedlichen Funktionen der Sen­sor­informationen der jeweils unbehaarten und behaarten Haut.

Die Sensibilität der behaarten Haut des Unterschenkels beteiligt sich zugleich auch an der Erkennung von Gelenkbewegungen und -positionen, also an der Propriorezeption (Aimonetti et al. 2007), was für jede Gelenkregion gelten dürfte. Die langsam adaptierenden Sensoren der behaarten Haut haben eine sehr vergleichbare Positions- und Geschwindigkeitssensitivität wie die Muskelspindeln der darunterliegenden Muskulatur (Collins et al. 2005). Für den Handrücken zeigte sich, dass die Informationen der langsam und der schnell adaptierenden Sensoren intensiv, schnell und akkurat bewegungsbedingte Spannungsveränderungen verschlüsseln und deshalb auch zur Propriorezeption und Bewegungsempfindung beitragen (Edin 2004).

Anschrift für die Verfasser:
PD Dr. med. sc. (habil) Wolfgang Laube
Kolumbanstr. 4
6844 Altach
Österreich

 

Ausgabe 07 / 2017

Literaturverzeichnis können Sie im pdf einsehen:

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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