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1. August 2016
Redaktion

Der Fuß in der Freizeit

Barfußparks verzeichnen steigende Besucherzahlen. Aber warum ­interessieren sich immer mehr Menschen dafür, ohne Schuhe die Natur zu erwandern und mit den Füßen zu ertasten? Petra Zimmermann hat in einigen Barfußparks Besucher interviewt, um deren „Fußbewusstsein“
zu ergründen.


Foto: privat

Die erste Familie treffe ich morgens um 10 Uhr im kalten Wasserbecken auf dem Barfußgang des Stift Tilbeck in Havixbeck. Familie Hartmann aus Saerbeck hat sichtlich viel Spaß beim Barfußlaufen: „Die Kinder hatten erst Angst, über Scherben oder Steine zu laufen, aber mit der Zeit haben sie gemerkt, dass es gar nicht weh tut“, erzählt Mutter Katrin. Sie wollten ihren Kindern auf diese Weise die Natur erlebbar machen. „Erinnerungen, die mit körperlichen Erfahrungen einher gehen, bleiben länger im Gedächtnis“, erklärt Vater Martin. Barfuß einen Bach auf einem Baumstamm überqueren, und Korken oder Glasscherben unter den Fußsohlen zu spüren, sind nachhaltige Erlebnisse. Die Kinder sind begeistert und wollen gleich weiter: „Das macht Spaß, besonders mit Mama und Papa!“ Der Barfußgang verzeichnet wachsende Besucherzahlen, darunter immer mehr Familien. „Das bewusste Aufsetzen der Füße, das man beim Tragen von Schu­hen vernachlässigt, ist es wert“, meint Besucherin Gerda Schoppkötte. Die Resonanz gibt ihr Recht – auch 2015 rechnet der Stift Tilbeck mit zirka 25000 Besuchern.

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Wiederentdeckung des Fußes
Beim Gehen auf nackten Füßen gewinnen Besucher „Bodenhaftung und Naturverbundenheit“ und erweitern ihre Dimension des Fühlens, heißt es auf der Internetseite des Barfußparks Lienen. Hier treffe ich viele Familien, auch Großmutter und Großvater sind dabei. Heute wird sogar ein Geburtstag gefeiert. Opa Dieter wird 75 Jahre und es macht ihm sichtlich Spaß: „In unserem Alter muss man vorsichtig sein, dass man nicht stürzt, aber das Barfußlaufen erinnert mich an meine Kindheit. Da war Barfußlaufen im Sommer ganz normal.“ Allen Familienmitgliedern macht dieser Familienausflug sichtlich Spaß – mehr als manche erwartet haben. Mal eine andere Art, Geburtstag zu feiern.
Die Macher des Barfuß-Gesundheitspfades in Bad Iburg sprechen von einer „Wiederentdeckung des Fußes“. Auf einem bis zu drei Kilometer langen Weg aus verschiedenen Naturböden, abwechselnd mit Schotter und Asphalt, können Besucher hier barfuß wandern. „Die Füße werden viel zu oft stiefmütterlich behandelt“, sagt Monika Weiß aus Bad Iburg, die regelmäßig mit ihrer Frauen­sportgruppe hierher kommt. „Das macht uns sensibel, mit unseren Füßen respektvoll umzugehen und sie nicht in zu enge High-Heels zu stecken. Wir haben unsere Füße in unserer Jugend zu lange mit falschen Schuhen traktiert.“

Barfußparks im Trend
Seit 1992 in Bad Sobernheim der erste Barfußpfad Deutschlands eingerichtet wurde, wächst das Interesse am Barfußlaufen in der Natur. Heute gibt es im deutschsprachigen Raum etwa zwei Dutzend Rundwanderwege von ein bis vier Kilometer Länge, die eigens für das Barfußlaufen eingerichtet wurden. Örtliche Initiativen halten sie instand. Und der Besucherzustrom ist beachtlich – ­einige Barfußparks geben an, hunderttausend Besucher im Jahr zu haben. (www.barfusspark.info)

Gemeinsames Ferienerlebnis
14 Hektar groß ist der Barfußpark Eges­torf im Naturschutzgebiet „Lüneburger Heide“. Neben einem Naturerlebnisbad wurde der Park um einen Yoga-Wald erweitert. Hier ist am Sonntagvormittag schon voll. Viele Familien nutzen den Ferienaufenthalt in der Lüneburger Heide, um ihren Sonntagsspaziergang mal barfuß zu genießen. „Man konzentriert sich nur auf den Boden unter den Füßen, das entspannt ungemein“, so Kerstin Siebert aus Hamburg, sie ist mit ihrem Lebensgefährten hier, die vielen Kinder stören sie nicht. „Wunderbar“ findet das Familie Dettmann aus Bremen, sie sind schon 14 Tage in der Lüneburger Heide und wollten unbedingt in den Barfußpark. Bekannte hatten ihnen begeistert berichtet, dass man hier stundenlang 60 Sinnes-Stationen barfuß erleben kann. „Soviel Platz in der freien Natur kennen unsere Kinder gar nicht“, bedauert Mutter Claudia, und in der Stadt sei es viel zu gefährlich, ohne Schuhe zu laufen. Familie Kilian aus Berlin stimmt da zu: „Hier können wir unseren Kindern die Natur erklären, ­ohne dass sie es langweilig finden“, schmunzelt Vater Matthias. Außerdem gingen fast alle Kinder gerne barfuß, weil sie das mit Abenteuer verbinden.

Zu wenig Wissen über die Füße
Kaum einer der Befragten wusste über die gesundheitsfördernden Wirkungen des Barfußgehens Bescheid oder konnte die Bedeutung gesunder Füße für die Körperstatik und den gesamten Organismus erklären. Fazit: Fußspezialisten müssen hier noch viel „Aufklärungsarbeit“ leisten.

Abbildungen: Zimmermann

Ausgabe 5/2016

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Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
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