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11. April 2022
Wolfgang Best
Bundessozialgericht

Festbeträge für Einlagen müssen neu berechnet werden

Am 7. April 2022 hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschieden, dass die Art und Weise, wie der GKV-Spitzenverband bislang die Festbeträge ermittelt, nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Gegen das Vorgehen des GKV-Spitzenverbandes hatten ein Orthopädieschuhtechnikbetrieb und verschiedene Landesinnungen geklagt.
Bernd
Foto: Rosin-Lampertius
Bernd Rosin Lampertius (l.), Geschäftsführer der klagenden Innungen, und Hans-Georg Ahrens am Verhandlungstag vor dem BSG in Kassel.

Mit der Entscheidung des BSG fand eine bereits 2017 von OSM Hans-Georg Ahrens, Brake, initiierte Klage gegen die Festsetzung der Festbeträge für Einlagen durch den GKV-Spitzenverband ihren Abschluss. Die Klage, die von den Landesinnungen für Orthopädieschuhtechnik Nord, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin mitgetragen wurde, hatte sich gegen die Festsetzung von Festbeträgen für Einlagen durch den GKV-Spitzenverband vom 22. März 2017 gerichtet. Die Festsetzung der Festbeträge beruhte auf Erhebungen zu Materialkosten, Zeitanteilen und Stundensätzen im Handwerk. In den Klagen wurde jedoch geltend gemacht, dass sich die Festbeträge an Abgabepreisen orientieren müssten, wie bei den Arzneimittelfestbeträgen. Der GKV-Spitzenverband habe nicht die Einkaufspreise von Materialien zu ermitteln und Kalkulationen durchzuführen.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte die Klagen als zulässig anerkannt, aber als unbegründet abgewiesen. Bei Festbeträgen für Hilfsmittel sei ein eigener Prüfungsmaßstab unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten anzuwenden. Die Kläger gaben sich mit dieser Begründung jedoch nicht zufrieden. In der Verhandlung vom 7. April entschied nun das Bundessozialgericht, dass die Revision begründet ist. Die Kläger hätten zutreffend geltend gemacht, dass die „streitbefangene Neufestsetzung der Festbeträge für Einlagen den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt und deshalb eine neue Regelung zu treffen ist“.

Krankenkassen dürfen keine eigene Kalkulation für Festbeträge erstellen

Das Gericht orientierte sich dabei an den gesetzlichen Vorgaben zur Festsetzung von Festbeträgen von Arzneimitteln. Maßgebende Parameter seien hier die Abgabepreise. Das gelte auch grundsätzlich für Hilfsmittelfestbeträge.

Die Befugnis zur Festsetzung von Hilfsmittelfestbeträgen ermächtige die Gesetzliche Krankenversicherung nicht zur Einbeziehung kalkulatorischer Ansätze in die Berechnung von Hilfsmittelfestbeträgen, wie sie ansonsten Vertragsverhandlungen und ggfs. nachfolgenden Schiedsverfahren vorbehalten sind.

Die streitbefangenen Festbeträge seien das Ergebnis einer Kalkulation unter Rückgriff auf Erhebungen zu Materialkosten, einen geschätzten Anteil für Materialverschnitt, den basierend auf Auskünften von Verbänden der Orthopädieschuhtechnik von dem Beklagten als ausreichend erachteten Zeitaufwand für die Materialbearbeitung, aus anderen Handwerken abgeleiteten Personalkosten, einen aus dem Jahr 2014 abgeleiteten und um eine Steigerungsrate von 1,5 % jährlich erhöhten Gemeinkostenzuschlag und schließlich einen vom Beklagten als angemessen erachteten prozentualen Anteil für Unternehmerrisiko und -gewinn von 5 %. Damit seien sie kein Abbild von Marktrealitäten, sondern Ergebnis wertender Setzung, was die Abgabe der in Frage stehenden Hilfsmittel (höchstens) kosten darf.

Festbeträge müssen neu festgesetzt werden

Das könne allerdings erst das Ergebnis von Verhandlungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern sein und nicht als vorweggenommene verbindliche Preisobergrenze einseitig festgesetzt werden. Dies verletze die betroffenen Leistungserbringer in ihrer durch Art 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Vertragsabschlussfreiheit. Das BSG beschloss deshalb, die Allgemeinverfügung aufzuheben und den GKV-Spitzenverband zur erneuten Entscheidung über die Festbeträge zu verpflichten.

In der Branche wurde die Entscheidung überaus positiv aufgenommen, denn Kritik an der Festsetzung der Festbeträge hatte es seit vielen Jahren gegeben. In ersten Stellungnahmen, wie zum Beispiel von Stephan Jehring, Präsident des Zentralverbandes Orthopädieschuhtechnik, galt der Dank deshalb Hans-Georg Ahrens und den Landesinnungen Nord, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, welche den Mut und die Ausdauer hatten, dieses Verfahren vor das höchste deutsche Gericht zu bringen und eine für das Handwerk wegweisende Entscheidung herbeizuführen.

Eine ausführliche Begründung findet sich auf der Internetseite des BSG.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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