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1. Februar 2023
Redaktion
Kartellrecht

Bundeskartellamt mahnt Arbeitsgemeinschaft von Hilfsmittelverbänden (ARGE) ab

Unter der Bezeichnung "ARGE" hatten der BIV-OT, EGROH, CURA-SAN, rehaVital, Reha-Service-Ring und Sanitätshaus Aktuell im September 2021 Preisaufschläge gegenüber den Krankenkassen wegen gestiegener Kosten durch die Corona-Pandemie gefordert. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin ein Kartellverwaltungsverfahren gegen die ARGE eingeleitet. Nun hat das Bundeskartellamt die ARGE abgemahnt: Es hält nach jetzigem Ermittlungsstand die Bildung einer "Anbietergemeinschaft aus nahezu allen relevanten Hilfsmittel-Verbänden" für unvereinbar mit dem Kartellverbot.
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Foto: gopixa/Adobe Stock

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes erklärt: „Hilfsmittelanbieter haben rechtlich die Möglichkeit, im Rahmen von Verbänden gemeinsam mit den Krankenkassen zu verhandeln. Dadurch werden aber keine Anbietergemeinschaften unbegrenzter Größe und monopolähnlicher Marktabdeckung wie bei der ARGE legitimiert. Nur im Wettbewerb bilden sich marktgerechte Preise, die letztlich beide Seiten gegen Ausbeutung schützen.“

Bundeskartellamt sieht die ARGE als "Quasi-Monopolistin" an

Die ARGE der Hilfsmittel-Verbände repräsentiere etwa 80 Prozent der relevanten Leistungserbringer-Standorte der reha-technischen Hilfsmittel bundesweit. Damit trete sie im Rahmen ihrer gemeinsamen Verhandlungen gegenüber den Krankenkassen als Quasi-Monopolistin auf, so das Bundeskartellamt.

„Zwar ist es Hilfsmittelanbietenden wie Sanitätshäusern, Orthopädietechnikern und anderen erlaubt, sich zu bundesweiten Verbänden zusammenzuschließen, um gemeinsam Verhandlungen mit Krankenkassen über die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Hilfsmitteln zu führen. Denn nur so können die Hilfsmittelanbieter eine flächendeckende Versorgung im ganzen Bundesgebiet gewährleisten. Die kartellrechtliche Grenze ist aus Sicht des Amtes jedenfalls dann aber überschritten, wenn alle maßgeblichen Verbände sich zusammenschließen oder in einem Ausmaß kooperieren, das den Wettbewerb fast vollständig zum Erliegen bringt“, heißt es in einer Presseerklärung des Bundeskartellamts.

Preiszuschläge zu undifferenziert kalkuliert

Die Beteiligten an der ARGE hatten die gemeinsam geforderten Preisaufschläge gegenüber den Krankenkassen mit kostenrelevanten Auswirkungen der Corona-Pandemie begründet (gestiegene Fracht-, Liefer- und Rohstoffkosten). Diese Rechtfertigung greift aus Sicht des Amtes nicht durch, wenn die Aufschläge pauschal und ohne sachliche Differenzierung für praktisch sämtliche angebotenen Produkte und Leistungen gefordert werden. Die erhobenen Preiszuschläge seien nicht mehr auf Basis von realen Kostensteigerungen leistungsbezogen kalkuliert worden, sondern weitgehend von den Gegenleistungen der Beteiligten und ihrer Mitgliedsunternehmen abgekoppelt.

Stellungnahme möglich

Das Bundeskartellamt hat der ARGE seine vorläufigen Ermittlungsergebnisse übersandt. Die ausführlich begründete Abmahnung bildet im Verwaltungsverfahren des Amtes zunächst einen Zwischenschritt, der den Betroffenen die Möglichkeit einräumt, zur vorläufigen Einschätzung des Amtes im Einzelnen Stellung zu nehmen. Am Ende kann es zu einer Untersagung des kartellrechtswidrigen Verhaltens durch die Kartellbehörde, Verpflichtungszusagen der Betroffenen oder zur Einstellung des Verfahrens kommen.

Verhältnis des Kartellrechts zum Sozialrecht

Neben den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ist das Bundeskartellamt auch zur Durchsetzung des europäischen Kartellrechts befugt. Derzeit geht das Amt auch von einem Verstoß gegen diese Vorschriften aus, die ohnehin – auch vor Sonderregelungen im deutschen Sozialrecht – vorrangig zu beachten seien.

Die Anwendung der kartellrechtlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) auf die Kooperation der Beteiligten ist nach Auffassung des Bundeskartellamts nicht durch sozialrechtliche Sonderregelungen (hier: SGB V), die das Kartellrecht verdrängen könnten, ausgeschlossen. Insbesondere greife der Anwendungsausschluss des § 69 Abs. 1 S. 1 SGB V im vorliegenden Fall nicht ein. Denn dieser beziehe sich ausschließlich auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern und nicht auf Absprachen der Leistungserbringer untereinander im Vorfeld dieser Verhandlungen.

„Nichts anderes ergibt sich auf Grundlage der Regelung des § 127 Abs. 1 SGB V, welche sich auf Arbeitsgemeinschaften oder Verbände bezieht, in denen Leistungserbringer im Bereich Hilfsmittel kooperieren. Sie rechtfertigt nicht die Kooperation aller Verbände untereinander. Auch hier sind die Grenzen des Kartellrechts einzuhalten“, mahnt das Bundeskartellamt.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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