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7. Januar 2019
Redaktion

Betriebsverkauf: 
Alle Werte im Betrieb berücksichtigen

INTERVIEW: WOLFGANG LAUBE


Wie geht es weiter mit meinem Betrieb, wenn ich in den Ruhestand gehe und der eigene 
Nachwuchs nicht weitermachen will? Meist steht dann ein Verkauf an und der Betriebs­inhaber steht vor der Frage, was die eigene Firma eigentlich wert ist. Oft mehr als man zunächst denkt, sagt Thomas Schwarz von der Unternehmensberatung Volkmer Management aus Nürnberg.

Thomas Schwarz

Herr Schwarz, gibt es Erfahrungswerte, wie viele 
Orthopädieschuhtechnik-Betriebe pro Jahr verkauft oder geschlossen werden?

Wir haben in unserer Unternehmensberatung die Orthopädieschuhtechnik erstmals vor zehn Jahren in 
unsere Analysen mit aufgenommen und beobachten seither auch diesen Markt intensiv. Unsere Analysen haben ergeben, dass jede Woche eine bis zwei Firmen verkauft oder geschlossen werden. Das sind mindestens 50 Betriebe im Jahr.{pborder}

Welche sind die Hauptgründe für einen Betriebsverkauf oder die Betriebsaufgabe?

Der Anlass ist meistens, dass der Betriebsinhaber das Rentenalter erreicht und es aus der Familie keinen Nachfolger oder Nachfolgerin gibt. Dann stellt sich die Frage, was man mit dem Betrieb machen möchte. Meist sind es kleinere Häuser, in denen der Meister, seine Frau und noch ein oder zwei Mitarbeiter arbeiten.

Was macht es so schwer, einen Nachfolger zu finden, der den Betrieb übernimmt und weiterführt?

Wenn die eigenen Kinder den Betrieb nicht weiterführen wollen, kann das auch daran liegen, dass sie aufgrund der kleinen Betriebsgröße keine Perspektive für sich sehen, und sich anders orientieren. Obwohl es auch hier Ausnahmen gibt. Wir haben aber auch das Problem, dass es an Fachkräften mangelt. In den letzten 20 Jahren haben etwa 2000 Menschen die Meisterprüfung in der Orthopädieschuhtechnik abgelegt. Das sind pro Jahr etwa 100 Meister.

Das ist nicht viel, auch wenn die Branche klein ist. Dazu kommt die Entwicklung der Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen. Das hat dazu beigetragen, dass der Sprung in die Selbstständigkeit für viele nicht mehr so attraktiv ist oder zu riskant erscheint. Die Leistungserbringung wird ja heute auch von viel mehr (Verwaltungs-)Prozessen begleitet. Man denke nur an das Kostenvoranschlagswesen, die Präqualifizierung, die Medizinprodukteverordnung, die Abrechnung und den Datenschutz. Das ist natürlich für einen kleinen Betrieb schwieriger zu bewältigen.

Wer sind die Käufer, wenn ein Betrieb zum Verkauf steht?

In der Regel werden die Betriebe von Sanitätshäusern aus derselben Stadt oder Region übernommen und als Filiale weitergeführt. Ob dann noch der alte Name drübersteht oder der Name des Sanitätshauses ist von Fall zu Fall verschieden. Das ist eine marktpolitische Frage. Man muss auch sehen, dass die Käufer häufig schon Wettbewerber dieser kleineren Betriebe sind. Wir gehen davon aus, dass 60 bis 65 Prozent der Sanitäts­häuser heute auch die Orthopädieschuhtechnik, inklusive Maßschuhe, anbieten.

Was macht dann die kleineren Betriebe für eine Übernahme interessant?

Das Interessante ist zum einen der Standort des Orthopädieschuhmachers, der sich vielleicht gut für eine Filiale eignet, weil man in diesem Ort oder in diesem Stadtteil noch nicht vertreten ist. Aber wichtig ist auch der Marktzugang des Betriebes, wie zum Beispiel bestehende Kooperationen mit Partnern rund um die Versorgung.

Wer seinen Betrieb verkaufen möchte, benötigt Anhaltspunkte, was sein Betrieb wert ist? Wie kann man den Wert ermitteln?

Aus der Praxis wissen wir, dass zur Wertermittlung teilweise nur der Warenbestand und vielleicht noch der Substanzwert des Maschinenparks herangezogen werden. Diese Werte lassen sich zwar einfach bestimmen. Aber hier liegt der Vorteil meist beim Käufer, weil wesentliche Werte des Betriebes nicht berücksichtigt werden. Das heißt, viele Betriebe werden unter Wert verkauft.

Das ist schade, denn es handelt sich ja meist um das Lebenswerk des Inhabers, das er über Jahrzehnte mit hohem persönlichem Einsatz aufgebaut hat. Und diese Betriebe haben ja auch oft eine gute Rendite erwirtschaftet.

Was muss denn berücksichtigt werden, um den tatsächlichen Wert des Betriebes zu ermitteln?

Da ist, wie schon erwähnt, der Marktzugang. Wenn Sie einen kleinen Orthopädieschuhmacher in einer Kreisstadt haben, dann ist der Name meist in den entsprechenden Kreisen, bei Patienten und Ärzten, bekannt. Wenn der Betrieb immer gut gearbeitet und zufriedene Patienten und Ärzte hat, dann ist dieser Name, der viele Türen öffnet, einiges wert.

Das wird oft verkannt bei der Bewertung des Betriebswerts. Jahresabschlüsse und Warenbestand sind wichtig. Man kann die Bewertung eines Betriebes aber nicht nur auf rein monetäre Dinge beschränken. Dabei schauen wir zum Beispiel auf die Wettbewerbssituation vor Ort, auf die Qualifikation und die Altersstruktur der Mitarbeiter, die übernommen werden sollen, auf die Bekanntheit und die Lage des Betriebes und auch auf die Altersstruktur der Kunden. Das Leistenlager ist ebenfalls wichtig.

Wie bewertet man diese Punkte beim Verkaufspreis?

Der Maßschuh ist ja ein sogenanntes folgeversorgungsrelevantes Produkt. Wer als Patient einen Maßschuh bekommt, benötigt den in der Regel für immer. Dann entscheidet sich auch an der Alters- beziehungsweise Kundenstruktur, wie oft der Käufer des Betriebes für diesen Patienten noch Maßschuhe fertigen kann. Bei Einlagen verhält es sich ähnlich. Das durchschnittliche Alter eines Einlagenträgers beträgt nach unseren Berechnungen etwa 48 Jahre.

Wenn man von der durchschnittlichen Lebenserwartung bei Männern von 78 Jahren ausgeht, dann kann ich die männlichen Kunden bei einer Betriebsübernahme im Schnitt noch 30 Jahre lang mit Einlagen versorgen. Wenn der Altersschnitt meiner Kunden allerdings schon bei 68 Jahren liegt, dann sind das weniger Jahre, die sie mein Nachfolger noch mit Einlagen versorgen kann. Er muss dann mehr in die Gewinnung neuer Kunden investieren.

Wenn ich in meinem Betrieb gut qualifizierte Mitarbeiter habe, die noch 15 oder 20 Berufsjahre vor sich haben, ist der Wert höher, als wenn sich die wichtigsten Mitarbeiter  schon auf die Rente zubewegen und neue Fachkräfte gefunden werden müssen. Diese Faktoren sind aus unserer Sicht für die Ermittlung des Wertes einer Firma ungemein wichtig und müssen berücksichtigt werden. Uns geht es dabei immer darum, einen fairen Wert zu ermitteln, der für den potenziellen Käufer auch nachvollziehbar ist.

Bei manchen Punkten kann man dann sicherlich geteilter Meinung sein. Aber dann kann man zum Beispiel über die Bewertung der Altersstruktur oder über die erwartete Geschäftsentwicklung diskutieren. Wenn man das nicht aufschlüsselt, bewegt man sich auf einer Ebene, auf der man nur pauschal über zu billig oder zu teuer reden kann.

Welche Bedeutung hat der Maschinenpark für den Verkaufspreis?

Der Maschinenpark ist nicht so wichtig, wie manche glauben – im Vergleich zur Qualifikation der Mitarbeiter und dem Marktzugang des Betriebes. Ohne Mitarbeiter und ohne Marktzugang ist die Maschine nichts wert.

Aber der Wert der Maschinen muss doch auch berücksichtigt werden. Natürlich. Hier gibt es zwei unterschiedliche Methoden der Bewertung. Bei der Bewertung nach Substanzwert schaut man in die Bücher, welche Maschinen vorhanden sind und wie alt sie sind und kommt zu einem Wert.

Heute ist allerdings eher die Bewertung nach dem Ertragswert des Maschinenparks üblich. Dabei wird ermittelt, welche Erträge sich mit den Maschinen in den kommenden Jahren erwirtschaften lassen. Das lässt sich aus der Erfahrung der Vergangenheit und der erwarteten Marktentwicklung gut berechnen.

Wie sollte ein Betriebsinhaber vorgehen, wenn er seinen Betrieb verkaufen möchte?

Der Betriebsinhaber sollte sicher nicht gleich auf das erste, vermeintlich verlockende Angebot eingehen. Er sollte sich bewusst sein, dass er sich in einer für ihn neuen Situation befindet. Er hat keine Erfahrungswerte, denn ein Unternehmen verkauft man ja meist nur einmal im Leben.

Wir raten deshalb, sich eine neutrale Stelle zu suchen, die den Wert des Unternehmens mit allen Parametern berechnen kann. Idealerweise wendet man sich hier an jemanden, der die Branche kennt und auch über Erfahrungswerte verfügt, wie man die einzelnen oben genannten Bereiche bewertet. Das geht oft recht einfach und schnell, wenn man genau weiß, wo man hinschauen beziehungsweise welche Fragen man stellen muss.

Man kann sich darauf auch vorbereiten, indem man selber die einzelnen Punkte bewertet. Die Altersstruktur und die Qualifikation der Mitarbeiter kennt man. Die Altersstruktur der Kunden kann man sich in der Regel recht einfach aus seiner Betriebssoftware holen, wenn man die Daten entsprechend nach Versorgungen und Kunden aufbereitet.

In früheren Zeiten hörte man noch öfters die Regel: Der Wert meines Betriebes ist gleichzeitig meine 
Altersvorsorge. Stimmt das noch?

Wenn es jemandem so gelingt, ist es schön. In der Regel funktioniert es nicht. Es ist deshalb wichtig, dass man sich schon frühzeitig um die eigene Alterssicherung kümmert – und die ist heute nicht mehr alleine der Betriebsverkauf.

Es ist immer besser, wenn man sich frühzeitig damit beschäftigt, was man später mit seiner Firma machen will. Viele fangen erst an zu überlegen, wie es mit der Firma weitergehen soll, wenn sie eigentlich schon aufhören wollen. Das ist zu spät.

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Thomas Schwarz ist mit Rainer Volkmer geschäftsführender Gesellschafter der Volkmer Management – Unternehmens- & Personalberatung in Nürnberg. 

Seit über 
30 Jahren betreut Volkmer Management als Unternehmensberatung für das Gesundheitswesen Firmen aus dem Bereich der medizinischen Hilfsmittel, unter anderem auch zur Betriebsnachfolge und zum Betriebsverkauf. 

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Foto: Andrey Popov/AdobeStock_495062320
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