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3. Juli 2019
Redaktion

Berufsbegleitend studieren

Ab dem Sommersemester 2020 bietet die Hochschule Kaiserslautern am Standort Pirmasens den Studiengang Orthopädieschuhtechnik an. Das Besondere daran: Das Studium kann berufsbegleitend absolviert werden und richtet sich deshalb auch an Gesellen und Meister, die schon im Beruf stehen und sich an der Hochschule weiter qualifizieren wollen.
Foto: Hochschule Kaiserslautern

Pirmasens war einst das Zentrum der deutschen Schuhindustrie. Auch wenn dort kaum noch Schuhe produziert werden, hat sich die Stadt ihre Schuhkompetenz bewahrt. Das Prüf- und Forschungsinstitut (PFI), das ursprünglich für die Schuhindustrie gegründet wurde, hat dort ebenso seinen Sitz wie die Deutsche Schuhfachschule und das International Shoe Competence Center (ISC). Und es gibt den Campus Pirmasens der Hochschule Kaiserslautern, an dem seit vielen Jahren der Studiengang Lederverarbeitung und Schuhtechnik angeboten wird.

Fachlich verantwortlich für diesen Studiengang ist Dipl. Ing. Christian Schwarz, der auch das Konzept für den Studiengang Orthopädieschuhtechnik wesentlich mitentwickelt hat. Dieser soll als eigenständiger Studiengang an der Hochschule etabliert werden. „Der Studiengang wurde speziell für die Orthopädieschuhtechnik entwickelt und wird nicht einfach an ein bestehendes Studium angegliedert“, betont Schwarz. Auch die thematische Ausrichtung der Studieninhalte ist anders gewichtet als bei den anderen Studiengängen im Bereich der Technischen Orthopädie.

Neben orthopädisch-medizinischen sowie ingenieurwissenschaftlichen und messtechnischen Schwerpunkten werden auch die Betriebswirtschaft, das Medizinproduktegesetz, Managementsystem sowie die Kundenbetreuung und das unternehmerische Handeln eine wichtige Rolle im Studium spielen.

Wissenschaft und Praxisorientierung

Foto: C. Maurer Fachmedien
Dipl.-Ing. Christian Schwarz (l.) und Prof. Ludwig Peetz zeichnen für die Entwicklung des Studiengangs Orthopädieschuhtechnik verantwortlich.

Bevor der Studienplan entwickelt wurde, analysierte Schwarz Stellenanzeigen aus der Orthopädieschuhtechnik auf die Qualifikationen hin, die dort gefordert werden. Darüber hinaus besuchte er zehn Orthopädieschuhtechnik-Betriebe, um zu erfahren, welche Qualifikationen die Betriebsinhaber von den künftigen Hochschulabsolventen erwarten würden. Auf diesem Weg kamen auch die Anforderungen nach der Serviceorientierung und der Methodenkompetenz in den Bereichen Kalkulation, Führung und Kommunikation ins Studienprogramm.

Bei der Entwicklung des Studienplans kamen Schwarz auch seine eigenen, vielfältigen Erfahrungen in der Branche zugute. Der heute 47-Jährige lernte die industrielle Schuhproduktion von der Pike auf in der väterlichen Schuhfabrik Husar und absolvierte eine Lehre zum Industriekaufmann. Voll eingebunden in die heimische Produktionsleitung absolvierte er 1997 an der Fachhochschule den Diplom-Studiengang Lederverarbeitung und Schuhtechnik, den er heute leitet.

Zuvor sammelte er jedoch Berufserfahrung in der Schuhindustrie, unter anderem bei Adidas und Gore-Tex. 15 Jahre führte er ein eigenes Ingenieurbüro, mit dem er Schuhfirmen beriet, zum Beispiel beim Optimieren der Produktionstechnik. Vor seinem Wechsel an die Hochschule war er zudem fünf Jahre lang als Auditor für das PFI im Bereich Qualitätsmanagement-Systeme tätig. Dabei erhielt er auch Einblick in zahlreiche Betriebe der Orthopädieschuhtechnik und kennt deshalb deren Probleme und Bedürfnisse sehr gut.

Studium auch für kleine Betriebe interessant

Mit dem neuen Studiengang will man die Studenten weniger auf eine wissenschaftliche Laufbahn vorbereiten – obwohl auch das möglich ist –, sondern dem Nachwuchs in der Orthopädieschuhtechnik für die vielfältigen Aufgaben in einem modernen Orthopädieschuhtechnik-Betrieb das nötige Rüstzeug vermitteln. Natürlich kennt man auch in Pirmasens die Diskussion, ob es denn sinnvoll ist, klassische Handwerksberufe an die Hochschule zu bringen. „Man kann nicht alles akademisieren“, sagt Prof. Ludwig Peetz, der als Dekan den Fachbereich Angewandte Logistik- und Polymerwissenschaften leitet, an dem auch der Studiengang Orthopädieschuhtechnik angesiedelt sein wird.

„Wir haben in Deutschland ein super Ausbildungssystem, um das uns jeder beneidet“. Im Zweifelsfall sei eine gute Ausbildung besser, als ein schlechtes Studium. Dennoch sieht Peetz gerade für traditionelle Berufe viele Chancen, wenn man die klassische Berufsausbildung durch ein Hochschulstudium erweitert. Das komme nicht für alle aus dem Beruf in Frage, aber die Interessierten könnten durch ein Studium ihr Wissen und ihre Fähigkeiten wesentlich erweitern und dadurch dem gesamten Handwerk wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung geben.

Foto: Hochschule Kaiserslautern
Die Schuhkompetenz der Hochschule ist am Campus Pirmasens versammelt. Davon soll auch der neue Studiengang profitieren.

„Die Hochschule Kaiserslautern hat Erfahrung mit kleineren und mittleren Unternehmen“, erklärt Ludwig Peetz. „Wir bilden auch für kleinere Betriebe aus“. Deshalb passe auch die Orthopädieschuhtechnik gut ins Studienangebot. Durch die verwandten Studiengänge wie die Lederverarbeitung und Schuhtechnik sowie die Textilwissenschaft und die Materialwissenschaft gebe es zudem viele Ansätze für Kooperationen und Synergien.

Wie auch kleine Betriebe von einem Studium profitieren, erläutert Peetz am Beispiel des Studiengangs Weinbau und Oenologie, der in Kooperation von den Hochschulen Bingen, Kaiserslautern und Ludwigshafen gemeinsam mit dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz als duales Studium angeboten wird. Inzwischen werde der Studiengang bundesweit sehr gut angenommen, gerade auch von Studierenden, die aus kleinen Weinbaubetrieben kommen.

In diesem Studium lerne man nämlich nicht nur den Weinbau, sondern auch die Vermarktung der eigenen Produkte und damit, wie man sich mit einem kleineren Betrieb auch in Zukunft am Markt behaupten kann.

Keine Konkurrenz für den Meister

Den Studiengang sieht man an der Hochschule als wichtige Ergänzung zum bisherigen Ausbildungsangebot, nicht jedoch als Alternative zur handwerklichen Ausbildung. „Wir wollen nicht den Meister ersetzen“, betont Christian Schwarz. Bewusst habe man dessen Kernkompetenzen im handwerklichen Bereich, wie den Leistenbau, aus dem Studienplan herausgehalten.

Im Bereich der fachlichen und praktischen Qualifikation sei der Bachelor dem Meister nicht ebenbürtig. Der Studiengang mache deshalb nicht die Meisterausbildung überflüssig. Schwarz ist überzeugt, dass die Absolventen des Studiengangs den Meister künftig bei vielen Aufgaben entlasten können, wie zum Beispiel in der Organisation der Produktion, bei Analysen, beim Marketing, bei der Abrechnung oder der Kommunikation mit den Kunden.

Studieren auch ohne Abitur möglich

Da sich der Studiengang auch an jene richtet, die schon in der Orthopädieschuhtechnik arbeiten, ist der Zugang auch für Bewerber offen, die nicht über die klassische Hochschulzugangsberechtigung wie Abitur, Fachabitur oder Fachhochschulreife verfügen. Eine Meisterprüfung, aber auch eine Berufsausbildung mit einem Notenschnitt von mindestens 2,5 und zwei Jahren Berufserfahrung können den Weg an die Hochschule ebnen. Voraussetzung ist allerdings ein Beratungsgespräch vor Studienbeginn.

„Wir wollen von der Qualität ein akademisches Studium anbieten“, sagt Ludwig Peetz. Deshalb müsse man sich schon bewusst sein, worauf man sich einlasse. Abschrecken lassen soll sich, so Peetz, aber niemand. „Durch die kleinen Gruppen und die Unterstützung durch die Hochschule ist eine individuelle Förderung der Studenten möglich. Wenn man es will, schafft man es auch“, ist seine Erfahrung aus den anderen Studiengängen. „Die Messlatte ist gelegt und wird auch nicht verschoben“, ergänzt Christian Schwarz. „Aber wir tun alles, damit die Studenten die Messlatte auch überqueren können.“

Berufsbegleitend

 

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WOLFGANG BEST

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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