Folgen Sie uns
17. September 2024
Redaktion
Parlamentarischer Abend

Bedeutung der Gesundheitshandwerke herausgestellt

Bürokratieabbau und die Bedeutung der Gesundheitshandwerke für das deutsche Gesundheitssystem standen als Themen im Mittelpunkt des diesjährigen Parlamentarischen Abends der Arbeitsgemeinschaft der Gesundheitshandwerke am 11. September 2024 in Berlin.
v.l.:
Foto: ZDH/Bildschön
v.l.n.r.: Dominik Kruchen (Präsident, VDZI), Alf Reuter (Präsident, BIV-OT), PStS Prof. Dr. Edgar Franke MdB, Christian Müller (Präsident, ZVA), Jörg Dittrich (Präsident, ZDH), Eberhard Schmidt (Präsident, biha). Foto: ZDH/Bildschön

Vertreterinnen und Vertreter der Augenoptik, Hörakustik, Orthopädietechnik und Zahntechnik diskutierten gemeinsam mit 60 Abgeordneten und Spezialisten aus der Gesundheits- und Sozialpolitik über die zukünftigen Herausforderungen für eine qualitätsorientierte Versorgung mit Hilfsmitteln und Zahnersatz in Deutschland.

Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), betonte zur Eröffnung der Veranstaltung in der Vertretung des Landes Hessen beim Bund, dass es aufgrund des demografischen Wandels, der zu erwartenden Zunahme von Versorgungsfällen sowie des Fachkräftemangels in der Ärzteschaft einer Neujustierung der Versorgungslandschaft bedürfe:

„Die Gesundheitshandwerke tragen mit ihren hochwertigen Produkten wesentlich dazu bei, die Folgekosten im Gesundheitssystem zu senken, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der gesamten Leistungsausgaben ausmachen. Deshalb sollte das alleinige Recht der Ärzte, bestimmte Produkte zu verordnen, teilweise angepasst werden, um besser auf den Alltag in Zeiten des Ärztemangels zu reagieren. In Zukunft könnten die Gesundheitshandwerke eine größere Verantwortung übernehmen und eigenständiger als bislang Hilfsmittel bereitstellen.“

Bürokratieabbau erforderlich

Der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG), Prof. Dr. Edgar Franke MdB, sagte: „Um die adäquate Versorgung der Gesundheitshandwerke auch zukünftig gewährleisten zu können, müssen wir auch hier Bürokratie reduzieren. Denn gerade die Produkte der Gesundheitshandwerke erhöhen die Lebensqualität und die Teilhabe der Bevölkerung am gesellschaftlichen Leben. Sie sind ein unerlässlicher und bedeutsamer Teil der Gesundheitsversorgung.“

Kristine Lütke MdB, Obfrau im Gesundheitsausschuss der FDP-Bundestagsfraktion, diskutierte danach mit den Präsidenten der Gesundheitshandwerke die speziellen Belange der verschiedenen Gewerke. Sie betonte dabei:

„Zu aufwändige und bürokratische Verfahren treffen vor allem den Mittelstand – und damit auch überproportional das Gesundheitshandwerk. Der Mittelstand ist aber das Rückgrat unserer Wirtschaft. Er ist der Motor für Wohlstand, Innovation und gute Arbeitsplätze. Statt immer neue Hürden aufzubauen, müssen wir seine Innovationskraft stärken. Entscheidend ist jetzt, dass wir die Bürokratie im Gesundheitswesen abbauen und zum Beispiel die Zulassungsverfahren für Medizinprodukte und Hilfsmittel vereinfachen und beschleunigen. So können wir auch in Zukunft eine gute Versorgung sicherstellen.“

 

Positionspapier veröffentlicht

Die Gesundheitshandwerke verdeutlichten ihre Eckpunkte für eine zukünftige Gesundheitspolitik in einem Positionspapier. Darin fordern sie unter anderem, den Überprüfungsturnus bei der Präqualifizierung auf alle fünf Jahre zu verschlanken. Auch treten sie für mehr Gerechtigkeit für die Gesundheitshandwerke ein – im Gegensatz zu ihnen haben Hilfsmittel-abgebende Ärzte und Apotheker kein PQ-Verfahren mehr zu erwarten.

Außerdem weisen sie darauf hin, dass das aktuelle Medizinprodukterecht für Sonderanfertiger ein umfassendes Qualitäts- und Risikomanagement sowie klinische Bewertungen fordert. Die Anforderungen seien mit der Versorgungsrealität nicht in Einklang zu bringen, der bürokratische Aufwand müsse auf ein angemessenes Niveau reduziert werden.

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sei es erforderlich, in den Berufsschulausbau, die Ausweitung des Meister-Bafögs sowie in Mittel für überbetriebliche Ausbildungsstätten zu investieren. Auch müssten marktübliche Stundenverrechnungssätze, Mindestlohnanhebungen und Inflationsraten in der Kostenerstattung berücksichtigt werden.

Die Gesundheitshandwerke kritisieren, dass die verspätete Einführung des eRezepts für Hilfsmittel zu Wettbewerbsnachteilen der Hilfsmittel-Leistungserbringer führt. Neben der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs fordern sie eine neutrale, nicht-kommerzielle Umsetzung der elektronischen Hilfsmittelverordnung. Eine kassenseitige Steuerung von Patientenströmen müsse verhindert werden.

Darüber hinaus fordern die Gesundheitshandwerke Lese- und Schreibrechte für die elektronische Patientenakte (ePA). In Bezug auf den elektronischen Kostenvoranschlag (eKV) wünschen sie aufgrund der unterschiedlichen Softwareanbieter auf Kassenseite die Bereitstellung offener, kostenfreier Schnittstellen. Die Kosten für den eKV dürften nicht pauschal und leistungsunabhängig durch die Leistungserbringer zu tragen sein.

Die Gesundheitshandwerke berichten, dass sich die Krankenkassen ordentlichen Verhandlungen entziehen, sie verschleppen oder sich auf kosten- und zeitintensive Schiedsverfahren zurückziehen, auch würden sie auf Open-House-Verträge und „Diktatverträge“ drängen. Es bestehe keine rechtliche Gleichstellung der Leistungserbringer mit den Krankenkassen – im Gegensatz zu den Leistungserbringern unterstünden Krankenkassen nicht den kartellrechtlichen Regelungen. Die Gesundheitshandwerke fordern faire Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe ohne unverhältnismäßige Forderungen an die Leistungserbringer. Leitverträge seien ebenso erforderlich wie die Vereinheitlichung der nicht-wettbewerblichen Vertragsinhalte. Das kartellrechtliche Normengeflecht solle nicht nur auf Leistungserbringer und deren Zusammenschlüsse angewendet werden.

Obwohl das Bundessozialgericht festgestellt hatte, dass die Krankenkassen die Festbeträge fehlerhaft ermittelt haben, komme der GKV-Spitzenverband bis heute nicht seiner Pflicht nach, Festbeträge auf der Grundlage der realen Abgabepreise zu bilden und sie unter Berücksichtigung allgemeiner Preissteigerungen anzupassen. Die Gesundheitshandwerke fordern die ordnungsgemäße Weiterentwicklung und faire Festlegung der Festbeträge ohne starre Obergrenzen sowie die jährliche Anpassung an die Inflationsrate. Auch dürften die bisherigen Festbeträge nicht einseitig vom GKV-Spitzenverband gestrichen werden.

In der Augenoptik und Hörakustik halten die Gesundheitshandwerke ein Umdenken vom Sachleistungs- zum Festzuschussprinzip für sinnvoll.

Die Gesundheitshandwerke fordern zudem eine Vereinheitlichung der Mehrwertsteuersätze für Medizinprodukte auf sieben Prozent und die Befreiung von der Pflicht, die gesetzliche Zuzahlung der Versicherten für die Krankenkassen einzuziehen.

Sie wünschen außerdem ein Mitwirkungs- statt eines bloßen Anhörungsrechtes im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).

Die Gesundheitshandwerke warnen vor der Zunahme von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) mit investorenbetriebenen Eigentümerstrukturen. Zunehmend würden branchenfremde Kapitalbeteiligungsgesellschaften in die Versorgung mit Hilfsmitteln und Zahntechnik eindringen, etwa ausgehend von Krankenhäusern in der postklinischen Versorgung. Die Gesundheitshandwerke sprechen von renditegetriebenen Entwicklungen, die zu einer drastischen Verschärfung der Zuweisungsproblematik und zu zunehmend intransparenten, zentralisierten Strukturen führen, in denen Verordner und Leistungserbringer Hand in Hand arbeiten und das Wahlrecht der Versicherten zur Makulatur verkomme. Die Gesundheitshandwerke fordern auch hier die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs zwischen allen Leistungserbringern.

Das vollständige Positionspapier der Gesundheitshandwerke finden Sie als PDF unter https://kurzlinks.de/awii.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben