Folgen Sie uns
29. Juli 2016
Redaktion

Ausländer in den Betrieb einbinden

Auch für Orthopädieschuhtechnikbetriebe sind Flüchtlinge sowie andere Ausländer mögliche Auszubildende und künftige Mitarbeiter. Bei der Beschäftigung gilt es einige Details zu beachten.
Von Harald Klein


Foto: dppic/Fotolia

Rund eine Million Flüchtlinge sind vergangenes Jahr nach Deutschland gekommen. Einige von ihnen könnten künftige Auszubildende und dann Mitarbeiter in der Orthopädieschuhtechnik sein und sind dort willkommen. „Wir sind eine ­Zukunftsbranche mit vielen sicheren ­Arbeitsplätzen“, so Oliver Dieckmann, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Orthopädieschuhtechnik (ZVOS) in Hannover. „Nachwuchs ist gesucht, Flüchtlinge haben hier eine gute Chance“. Der bildhafte Slogan des Verbands „Wir wissen, was Gehen bedeutet“, zeigt Verständnis für die Lage der Flüchtlinge.
Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles unterstützt diese Haltung: „Unser Ziel muss sein, die zu uns kommenden Menschen in eine ordentliche Arbeit zu vermitteln. Uns ist bewusst, dass auf die Bundesagentur für Arbeit und die Jobcenter eine in ihrer Dimension neue und große Aufgabe zukommt. Wir wollen uns darauf so gut wie möglich vorbereiten.“ Nahezu alle Flüchtlinge seien motiviert, leistungswillig und voller Tatendrang. Sie weiß auch: „Viele haben in ihrer Heimat einen Beruf erlernt, aber sie besitzen keine formale Qualifikation mit dem Stempel einer deutschen Handwerkskammer. Und viele haben nur eine geringe oder gar keine Ausbildung.“ Doch das soll sich jetzt ändern. „Es ist notwendig, für jeden Flüchtling, seine schulischen und beruflichen Kompetenzen festzustellen“, so  Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. „Die Bildungsstätten des Handwerks stehen dafür bereit.“
Doch viele Unternehmer sind unsicher, wann sie Flüchtlinge ausbilden und beschäftigen können und ob diese zumindest bis zum Ende ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben dürfen. Eine aktu­elle Broschüre der Bundesagentur für Arbeit sowie ein Flyer, des Bundesinnenministeriums und des ZDH geben Tipps (siehe Hinweis Info-Plus). Die wichtigs­ten im Schnellüberblick:

{pborder}

Abgestuftes Aufenthaltsrecht
Wenn Flüchtlinge nach Deutschland kommen und hier Asyl beantragen, bekommen sie zunächst eine Aufenthaltsgestattung. Nimmt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ihren Antrag an, bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis, die zum Beispiel Syrer sofort erhalten. Lehnt es den Antrag ab, muss der Ausländer an sich ausreisen. In vielen Fällen setzen die Behörden dies jedoch nicht durch und erteilen eine Duldung. Ab der Aufenthaltserlaubnis ist die ­Arbeitsagentur zuständig, davor das ­Jobcenter.

Zugang zu Arbeit und Ausbildung
Bevor Betriebe einen Flüchtling als Mitarbeiter oder Lehrling einstellen dürfen, müssen drei Monate verstreichen, seitdem er den Asylantrag gestellt hat. Solange Flüchtlinge in einer Erstaufnahmestelle bleiben müssen, was bis zu sechs Monate dauern kann, unterliegen sie jedoch einem Beschäftigungsverbot.
Wer grundsätzlich in welchem Umfang arbeiten darf, können Chefs im Handwerk bei Asylbewerbern und anerkannten Flüchtlingen dem jeweiligen Aufenthaltspapier entnehmen, das sie sich vom Bewerber vorlegen lassen. „Erwerbstätigkeit gestattet“ erlaubt aus Sicht der Ausländerbehörde jede Tätigkeit und die Aufnahme der Berufsausbildung. Für eine konkrete Beschäftigung beantragen Flüchtling und Betrieb eine Erlaubnis bei der Ausländerbehörde, die wiederum die Bundesagentur für Arbeit um Zustimmung anfragen muss. Zunächst geht der Antrag an die Zentrale Ausländervermittlung, dann an die örtliche Arbeitsagentur, die mit zahlreichen Maßnahmen hilft. Bei „Erwerbs­tätigkeit nicht gestattet“, darf der Betreffende vom Betrieb weder als Mitarbeiter noch als Auszubildender eingestellt werden.  

Volle Ausbildung garantiert
Solange das Asylverfahren läuft, können Betrieb und Lehrlinge davon ausgehen, dass sie die Ausbildung machen dürfen. Im besten Fall genehmigt die Behörde den Asylantrag, der Flüchtling darf mit seiner Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis arbeiten und seine Ausbildung bis zur Gesellenprüfung abschließen.
Lehnt das Amt den Asylantrag ab, kann ein Abschiebungsverbot Betrieb und Lehrling davor schützen, dass sie die Ausbildung abbrechen müssen. Jugend­liche, die unter 21 Jahren ihre Lehre begonnen haben, dürfen diese auch ohne Aufenthaltsgestattung oder -erlaubnis zu Ende bringen, wenn mit dem Abschluss zu rechnen ist. Sie erhalten vom Ausländeramt eine Duldung, die jeweils um ein Jahr verlängert wird. Diese Regel gilt jedoch nicht für Azubis aus den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten wie Albanien, Bosnien, Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien. Mit dem Gesellenbrief bekommen auch geduldete Lehrlinge eine Aufenthaltserlaubnis – der Betrieb darf sie im erlernten Beruf dauerhaft beschäftigen.

Beschäftigung ohne Ausbildung
Flüchtlinge, die keine Lehre beginnen, sondern gleich arbeiten wollen, darf der Handwerksbetrieb wie oben beschrieben nach Ablauf der bis zu sechsmonatigen Wartezeit mit Zustimmung der Arbeits­agentur einstellen. Diese prüft zunächst, ob für die Stelle kein deutscher oder EU-Bewerber oder ein ausländischer, der bereits die Zustimmung hat, zur Verfügung steht. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles steht noch zu der Vorrangprüfung, kann sich jedoch vorstellen, diese nach der Wartefrist der Flüchtlinge für drei Jahre auszusetzen. Ist der Stellenbewerber bereits mindestens 15 Monate legal im Land, entfällt die Vorrangprüfung. Und nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland ist auch keine Genehmigung der Arbeitsagentur mehr erforderlich. Die Arbeitsagentur untersucht weiter, ob der Betrieb einen Flüchtling zu gleichen Bedingungen wie bei anderen Mitarbeitern einstellen will. Diese Vergleichbarkeits­prüfung soll den Mitarbeiter vor Diskriminierung am Arbeitsplatz schützen.

Vorab mit Praktikum testen
Ob künftiger Lehrling oder Mitarbeiter – viele Betriebe wollen erst einmal testen, ob sich der Bewerber grundsätzlich eignet und in die Firma passt. Hier können mehrere Maßnahmen helfen: Etwa mit einem betrieblichen Orientierungspraktikum bis zu drei Monate Dauer prüfen sie, ob ein Lehrling geeignet sein könnte. Hierfür ist eine Erlaubnis der Ausländerbehörde erforderlich, nicht jedoch die der Arbeits­agentur. Um spätere Förderung zu ermög­lichen, darf der Betrieb das Prak­tikum nicht bezahlen, auch keine Fahrtkosten etc. übernehmen.
Bei einer angestrebten Ausbildung können Chefs mit einer Einstiegsqualifizierung in einem Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten feststellen, welche Kenntnisse und welches Geschick der künftige Azubi bereits mitbringt. „Die Betriebe können so Ausbildungsinteressenten an eine Ausbildung in ihrem Betrieb heranführen, wenn sie aktuell noch nicht in vollem Umfang für eine Ausbildung geeignet oder lernbeeinträchtigt oder sozial benachteiligt sind“, so die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Broschüre für Unternehmer (siehe Info Plus), die dem Betrieb einen Zuschuss gewährt. Der Betrieb muss hierfür die Genehmigung der Ausländerbehörde und einen Vertrag mit der Qualifizierungsmaßnahme vorlegen, bevor der junge Mann oder die junge Frau im Betrieb anfängt.  

Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU
Für Ausländer aus der EU bestehen die Genehmigungshürden nicht. Sie genießen grundsätzlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit, dürfen also in Deutschland wohnen und arbeiten. Die Anerkennung ihrer Abschlüsse freilich ist in vielen Fällen erforderlich. Servicepoints, wie etwa der bei der Handwerkskammer Region Stuttgart, unterstützen dabei, Ausländer, ob Flüchtling oder EU-Bürger, zu helfen (siehe auch Links unter Info-Plus). Und wollen sich Ausländer künftig selbst­ständig machen, brauchen sie grundsätzlich in der Orthopädieschuh­technik den Meis­terbrief oder eine vergleichbare ­Bescheinigung.
Bei den Regeln für Lehrlinge und Mitarbeiter gibt es gute Chancen für Betriebe und Ausländer am Arbeitsmarkt. Das größte Hindernis für alle sind freilich fehlende deutsche Sprachkenntnisse. Reichen die Sprachkenntnisse aus dem bisherigen Kurs noch nicht aus und haben Betriebe, etwa über die Innung, mehrere Azubis und Mitarbeiter, könnten sie einen Deutschlehrer engagieren und die Kosten steuerlich absetzen. z

Abbildungen: 1. dp@pic/fotolia 2. ZVOS/Agentur Bildschön

Ausgabe 4/2016

Vollständiger Artikel als PDF herunterladen:

Herunterladen

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben