Folgen Sie uns
15. Mai 2024
Annette Switala
Qualitätsverbund Hilfsmittel (QVH)

AG "Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung" gegründet

Der Qualitätsverbund Hilfsmittel e.V. (QVH) hat interessierte Akteure aus der Gesundheitsbranche dazu aufgerufen, eine Arbeitsgruppe „Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung“ zu gründen. Was macht Ergebnisqualität aus und wie lässt sie sich standardisiert messen? Am 6. Mai 2024 traf sich die Arbeitsgruppe zum Start einer Reihe von Online-Workshops, in denen Fragen wie diese bearbeitet werden sollen.
Kompassnadel
Foto: Robert Kneschke/Adobe Stock

„Bei der Prozess- und der Strukturqualität wurde in der Hilfsmittelversorgung schon viel erreicht und auch untersucht – in der Ergebnisqualität noch nicht“, begründete QVH-Vorstandsmitglied Sabine Mertsch, warum der Qualitätsverbund Hilfsmittel die Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung in seinem Projekt in den Fokus rückt. „Für die Ermittlung der Ergebnisqualität gibt es bislang keine einheitlichen Standards, und es sind in Deutschland nur wenige Daten vorhanden, die die Ergebnisqualität der durchgeführten Versorgungen belegen.“ Dabei werde der Druck, die Ergebnisqualität der Versorgungen zum Beispiel gegenüber den Kostenträgern nachzuweisen, immer größer. „Außerdem ist uns allen ja daran gelegen, dass die Versorgung die gewünschte Wirkung beim Patienten erzielt“, so Mertsch.

Der QVH hatte deshalb interessierte Akteure aufgerufen, sich an der neu geschaffenen Arbeitsgruppe „Ergebnisqualität in der Hilfsmittelversorgung“ zu beteiligen. In mehreren kurzen Workshops soll versucht werden, Antworten auf noch ungeklärte Fragen zu finden: Wie kann man Ergebnisqualität definieren? Wie und mit welchen Messmethoden kann bewertet werden, ob das individuelle Versorgungsziel erreicht wurde – und wie kann die Patientenzufriedenheit in Bezug auf die Versorgung und die dabei festgelegten Ziele gemessen werden? Wie können Daten zur Ergebnisqualität strukturiert und standardisiert erhoben werden, um wissenschaftliche Auswertungen zu ermöglichen? Zur Auftaktveranstaltung der Workshopreihe, die sich diesen Fragen widmet, hatten sich Vertreter aus der Hilfsmittelversorgung, der Krankenkassen und der Indus­trie angemeldet.

Ergebnisqualität hat mehrere Dimensionen

Eine erste Annäherung daran, wie sich Ergebnisqualität genauer fassen lässt, bot Michael Hubert, Agentur Barrierefrei NRW aus Volmarstein. Er stellte eine Experten-Befragung vor, welche die Agentur Barrierefrei vor rund zehn Jahren durchgeführt hat. Dazu überlegte sich die Agentur zunächst selbst vier „Zieldimensionen“ der Ergebnisqualität, die bei der Evaluation von Versorgungsergebnissen wichtig sein könnten. Diese Zieldimensionen waren „Akzeptanz“ (der Versicherten für ihr Hilfsmittel), „Nutzbarkeit“ (des Hilfsmittels im Alltag), „Zielgerichtete Wirkung“ (erfüllt das Hilfsmittel seinen therapeutischen Zweck?) und „Wirtschaftlichkeit“.

In der Folge befragte die Agentur Vertreter von Kostenträgern, Hersteller- und Leistungserbringerverbänden, Fachhandel, Gesundheitsversorgung, Sozialarbeit, Pädagogik und Rehabilitationswissenschaften dazu, ob sie diese Zieldimensionen als ausreichend erachten, wie sie sie ergänzen würden und mit welchen Messmethoden die Ziele gemessen werden könnten.

Insgesamt gab es 25 komplett beantwortete Rückmeldungen von Experten unterschiedlicher Expertise. Von ihnen bekundeten 89 Prozent eine hohe Zustimmung zu der Annahme, dass Ergebnisqualität durch die Zieldimensionen Akzeptanz, Nutzbarkeit, zielgerichtete Wirkung und Wirtschaftlichkeit abgebildet werden kann. Rückgemeldet wurde auch, dass die Wirtschaftlichkeit im Einzelfall schwer zu bestimmen sei und wesentlich über die drei anderen Zieldimensionen mit beeinflusst werde – die Wirtschaftlichkeit einer Versorgung begründe sich auch in der Wirkung und tatsächlichen Nutzung des Hilfsmittels. Auch ergab die Befragung, dass die Qualität und die Quantität der tatsächlichen Nutzung des Hilfsmittels dominierende Zielorientierungen für die Versorgung sind und sein sollten. Denn nur eine Hilfsmittelversorgung, die auch getragen wird, kann zu einem guten Ergebnis führen.

Michael Hubert sprach sich dafür aus, in solche Expertenbefragungen zur Ergebnisqualität auch Patienten als „Experten in eigener Sache“ mit einzubeziehen. Auch könne es sinnvoll sein, eine vergleichende Untersuchung von „gemanagten“ (durch eine gute Beratung begleiteten) und „nicht-gemanagten“ Versorgungsprozessen zu machen. Er stellte die These auf, dass eine gute Beratung ein wesentlicher Faktor für eine effektive und effiziente Hilfsmittelversorgung und eine gute Ergebnisqualität ist. Beratung müsse dabei klientenzentriert, interdisziplinär, kostenfrei und fallbezogen durchgeführt werden.

Ergebnisqualität wird immer wichtiger – auch für die Frage der Kostenerstattung

In der anschließenden Diskussion unterstrichen die Teilnehmer ebenfalls die Wichtigkeit, auch Patienten in Befragungen zur Ergebnisqualität mit einzubeziehen. Rechtsanwältin Bettina Hertkorn-Ketterer sprach sich zudem dafür aus, bei solchen Umfragen auch zu bedenken, dass die Vielfalt der Produktgruppen enorm ist und dass der Leidensdruck der Patienten und dementsprechend die Adhärenz je nach Art des Hilfsmittels sehr unterschiedlich sein kann. Deshalb sei es sinnvoll abzufragen, an welches Hilfsmittel die befragte Person denkt und auch die Fragen produktgruppenspezifisch zu gestalten.

Dr. Kristin Sauer, Leiterin des Bereichs Medical Affairs/Wissenschaftlicher Beirat bei der Eurocom, befand die vier Zieldimensionen, welche die Agentur Barrierefrei vorgeschlagen und abgefragt hat, als sinnvoll, regte jedoch an, diese Umfrage erst als einen Anfang zu sehen, der eine sehr gute Struktur vorgibt. Mit dieser könnten und sollten weitere Umfragen und Projekte entwickelt werden, so Sauer. Man könne zum Beispiel zunächst zielgerichtet die Nutzbarkeit von Hilfsmitteln abfragen, um dann später „patient reported outcomes“ (Auskünfte über den Gesundheitszustand eines Patienten, die direkt von ihm selbst stammen) gezielt zu ermitteln.

OSM Jürgen Stumpf, der den Workshop gemeinsam mit Sabine Mertsch leitete, stimmte dem voll und ganz zu: „Auch wenn es in der Branche häufig noch nicht so gesehen wird, glauben wir, dass solche Messungen der Ergebnisqualität künftig die wichtigste Möglichkeit sind, um grundsätzlich Bestand für die Kostenerstattung von Hilfsmittelversorgungen zu erreichen.“ Die von der Agentur Barrierefrei erarbeiteten Dimensionen der Ergebnisqualität seien eine „phantastische Basis“, aber noch nicht das Endergebnis – „das ist ja auch der Grund, weshalb wir uns hier treffen. Wir müssen schauen, wie sich Befragungen zur Ergebnisqualität und die entsprechenden Dokumentationen später in der Praxis durchführen lassen – so, dass es für diejenigen, die die Ergebnisqualität abfragen, im Arbeitsalltag auch durchführbar ist.“ Wichtig sei auch, Gelder für die Weiterentwicklung der Ergebnisqualität und für den Aufbau einer Registerforschung, die der Hilfsmittelbereich dringend benötige, bereitzustellen. Dafür, so Stumpf, müsse aber erst einmal die Bereitschaft in der Branche geschaffen werden.

„Ziel unserer AG ist es zu ermitteln, was die machbaren nächsten Schritte sind“, resümierte Sabine Mertsch. „Wir können nicht alles selber machen, aber wir können eine strukturierte Richtung vorgeben.“

Die Workshop-Reihe soll in rund 90-minütigen Online-Sitzungen weitergeführt werden und auch weiterhin Impulsvorträge einbeziehen. Wer an der Arbeitsgruppe teilnehmen möchte, kann sich per E-Mail (info@qvh.de) an den Qualitätsverbund Hilfsmittel wenden.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
Schuhsohle
Zurück
Speichern
Nach oben