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27. Mai 2024
Redaktion
Interdisziplinär und international

Die DGIHV auf der OTWorld 2024

Die Deutsche Gesellschaft für interdisziplinäre Hilfsmittelversorgung e.V. (DGIHV) beteiligte sich als Kooperationspartner am Programm des Weltkongresses der OTWorld 2024. Die Kernthemen ihres Programms reichten von der Prothetik über die Kinderorthopädie bis hin zur Patientenversorgung und Patientenerhebung.
Prof.
Foto: BIV-OT/Jens Schlüter
Prof. Dr. Wolfram Mittelmeier, Vorstandsvorsitzender der DGIHV, bei seinem Vortrag über den Einsatz von 3D Druck in der Schaftversorgung von Kleinkindern.

Zwei Workshops und zwei Symposien gestaltete die DGIHV auf der OTWorld 2024 mit – zu den nationalen und internationalen Referenten ihres Programms am 16. und 17. Mai 2024 in Leipzig gehörten unter anderem Univ.-Prof. Dr. Wolfram Mittelmeier (Vorstandsvorsitzender DGIHV), Olaf Gawron (stellvertretender Vorstandsvorsitzender DGIHV), Samuel Wiedmann (Pohlig GmbH), Prof. Dr. Georg Osterhoff (Universitätsklinikum Leipzig), Prof. Dr. Kenton Kaufman (Mayo Klinik, USA), Bengt Söderberg (Scandinavian Orthopaedic Laboratory) und Dipl.-Ing. (FH) Julia Block (Universitätsklinikum Heidelberg).

„Die von der DGIHV gestalteten Workshops und Symposien haben eindrucksvoll gezeigt, wie wichtig der Blick auf die individuellen Wahrnehmungen und Situationen der Patienten bei der erfolgreichen Prothesenversorgung ist. Ebenso sind Patientenerhebungen und Register für die Qualitätssicherung in der Orthopädietechnik unerlässlich“, erklärte Prof. Mittelmeier, der Vorstandsvorsitzende der DGIHV.

Passformkontrolle des Schaftes und Abnahmekriterien von Prothesen

Im ersten Workshop am 16. Mai 2024 befassten sich die Experten mit der Überprüfung des Prothesenschafts und den Abnahmekriterien einer Prothese. Orthopädietechniker-Meister Samuel Wiedmann verdeutlichte in seinem Beitrag „Passformkontrolle bei Ober- und Unterschenkelprothesen”, dass die Anwender häufig über ähnliche Schaftprobleme wie Druck am Stumpfende berichten. Hinter diesen gleichlautenden Aussagen stehen jedoch unterschiedliche Ursachen. Der Orthopädietechniker muss daher Maße und Kontextaussagen besonders im Blick behalten. Auch beim Prothesenanlegen sollte der Orthopädietechniker anwesend sein, da manche Probleme beim Anlegen schon sichtbar werden. Mit Bild- und Videomaterial zeigte Wiedmann am echten Patienten und Skelett, welche Griffe am Schaft gemacht werden müssen, um die Passform zu überprüfen.

Anschließend erläuterte Johannes Siegel, Ottobock Abnahmekriterien bei Unterschenkel- und Oberschenkelprothesen. Die Abnahme der Prothese findet während der Qualitätskontrolle, in der auch das Rehabilitationsergebnis überprüft wird, statt. Zur Abnahme verwende man bei seinem Unternehmen die Kriterien, welche im Kompendium „Qualitätsstandard im Bereich Prothetik der unteren Extremität” der DGIHV zu finden sind. So gehöre zur Abnahme neben Kriterien der Passformkontrolle, wie dem Schaftrandverlauf, auch die Kriterien zur Kontrolle der Gesamterscheinung, wie der Körpersymmetrie, und Kriterien der Haltemechanismen, wie der statischen und dynamischen Kontrolle.

3D-Druck in der Kinderorthopädie

Das Symposium am 16. Mai 2024 beleuchtete verschiedene Aspekte des Einsatzes des 3D-Drucks in der Kinderorthopädie. Frank Naumann (Orthovital GmbH) ging der Frage nach „Wer wächst schneller, das Kind oder die Orthese?”. Stefan Kunz (Pohlig GmbH) stellte die „Concept 4D-Orthese von Kindern mit geburtstraumatischer Plexus-Parese“ vor, während Sophia Rauch (Pohlig Ottobock.care) über „3D Print Armorthesen mit SimBrace-Verfahren zur Funktionssimulation im Versorgungsprozess” berichtete. Dabei erklärte sie, wie im SimBrace-Verfahren die Funktion der Orthese noch vor der Fertigung und Anpassung simuliert wird.

Prof. Dr. Georg Osterhoff beschäftigte sich mit der Frage: „3D Printing individuelle Versorgungsmöglichkeiten für Groß und Klein?”, ehe Prof. Mittelmeier in seinem Vortrag „Einsatz von dynamischem 3D Printing in der Schaftversorgung von Kleinkindern” die neuesten Entwicklungen in diesem Feld darlegte. Er gab Einblick in die Verlaufsstudie der Orthopädischen Klinik in Rostock, die eine Serie zur 3D-Schaftversorgung von Kleinkindern mit Knie-Exartikulationen verfolgt. Dank dieses Verfahrens konnte das Alter der Versorgten auf zwei Jahre gesenkt werden.

Patientenversorgung durch Registerforschung sicherstellen

Das Symposium am 17. Mai 2024 beschäftigte sich mit der Qualitätssicherung in der Patientenversorgung und benannte beispielhaft internationale Register, die dabei unterstützen können. Olaf Gawron gab einen Überblick über die aktuelle prothetische Behandlung in Deutschland und verdeutlichte, dass es in diesem Land keine Erhebungen der prothetischen Versorgungen gibt. Dabei kann es ohne Erhebungen keine Strukturen und keine einheitlichen Rehabilitationsstandards geben. Datenerhebungen sind für eine stringente Versorgungslage unerlässlich.

Anschließend stellte Timo Stehn (Geschäftsführer Endoprothesenregister Deutschland EPRD) das Erfassungssystem EPRD-Edit vor. In diesem System sind etwa 2,85 Mio. Dokumentationen erfasst. Es unterstützt Evidenzdaten für die Medical Device Regulation (MDR). Ein aktuelles Projekt des EPRD gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut und dem Universitätsklinikum Heidelberg ist ortho connect, in dem Verläufe dokumentiert und Register verknüpft werden sollen.

Prof. Dr. Kenton Kaufman gab Einblicke in die Entwicklung des Limb Loss and Preservation Registry (LLPR) in den USA. Das LLPR startete 2022 die Erhebungen und erhält bereits Daten aus 221 Standorten in den USA. Das Register umfasst schon über 11 Mio. Behandlungsfälle und mehr als 400.000 individuelle Patientendaten. Damit sollen Erkenntnisse gewonnen werden, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu definieren.

Auch Bengt Söderberg zeigte, dass es internationale Vorbilder gibt, die die Notwendigkeit von Datenerhebungen und Registerforschungen beweisen. In „SwedeAmp“ werden 6 E-Registerplattformen vereint mit dem Ziel, durch Vergleiche, Verbesserungen anzustoßen, Evidenz zu schaffen und so nationale Richtlinien zu erstellen. So ist es möglich, die persönlichen Daten national und regional zu vergleichen. Zukünftig soll es mit einer globalen Plattform auch international möglich sein.

Orthopädietechnikerin Julia Block referierte zur Entwicklung eines deutschen Amputationsregisters. Sie stellte das Projekt AMP-Register des Medizinisch-Technischen Kompetenzzentrums (MeTKO) vor. In ihm wurden die Fragebögen – Teil A für den Patienten und Teil B für den Experten – der DGIHV zur Datenerhebung in einer App eingebunden. Das Ziel: Versorgungsabläufe nicht verzögern und die Regierung zur Einführung eines Registers bewegen. Dies kann aber nur durch das stetige Einpflegen von Daten funktionieren, deshalb soll die App zukünftig an bestehende Infrastrukturen und Systeme angebunden werden und um weitere Anwender erweitert werden. Allerdings müssen dafür auch die Orthopädietechniker sensibilisiert werden, weshalb es im Zuge dieses Projekts auch Workshops an Meisterschulen gibt.

 

Patientenerhebungen in der Orthopädietechnik

Der Workshop am 17. Mai 2024 demonstrierte die App des AMP-Register live im Vortragsraum. Zur Einstimmung gab Urban Daub (M.Sc. Fraunhofer IPA) einen Überblick verschiedener Tests zur Beurteilung der körperlichen Funktionen – wie dem L-Test der funktionellen Mobilität.

Beim L-Test müssen Patienten insgesamt 20 Meter gehen und dabei zwei Transfers sowie vier Drehungen durchführen. Er ist zur Beurteilung der Mobilität von Patienten mit Amputationen der unteren Extremitäten gedacht. Durch die L-Form der Gehstrecke wird gewährleistet, dass die Testperson die Drehung des Körpers beim Gehen in beide Richtungen durchführen muss. Daub erklärte, dass es rund 50 verschiedene Tests gäbe, die einen Vergleich schwierig machten. Daher müsse man auf folgende Anforderungen achten: Validität, Sensibilität für Veränderungen, Sensitivität für Parameter, Verlässlichkeit und Praktikabilität. Erfüllt ein Test all diese Anforderungen, können die Ergebnisse wertvoll für die intra- und interdisziplinäre Kommunikation sein, zum Leitfaden für therapeutische Befunderhebungen werden und die Effekte der Behandlung dokumentieren.

Im Anschluss führte Julia Block in „Amputationsregister (AMP-Register) und die AMP-Kompass-App: Eine digitale Profilerhebung von Patienten mit Beinamputation” live im Praxistest vor. Das Projekt zur Erstellung eines Registers des Universitätsklinikums Heidelberg digitalisiert die DGIHV-Fragebögen, die zuvor händisch ausgefüllt wurden. Den ersten Teil des Fragebogens füllt der Patient während seiner Wartezeit selbstständig aus. Der zweite Teil des Fragebogens wird während der Untersuchung ausgefüllt und teilt sich in drei Teile: einen Teil mit der Stumpfuntersuchung, einen Prothesenteil und schließlich einen Teil mit den Tests der körperlichen Funktionen. Bei den inkludierten Tests ist eine digitale Stoppuhr gleich hinterlegt, die die Ergebnisse sofort übernimmt. Die Erhebungen lassen sich auch exportieren – entweder als Gesamtes oder nur in Teilen, wie den in den Verträgen mit den Kostenträgern integrierten BIV-Bogen. Ein Statistikmodul ermöglicht den Vergleich – intern oder mit allen App-Nutzern.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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