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27. Oktober 2021
Redaktion
Orthopädische Apps

"Apps für orthopädische Übungen verschlimmern oft, statt zu helfen"

Dr. med. Burkhard Lembeck, Kongresspräsident des DKOU 2021 (Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie) in Berlin, warnt vor den möglichen Gefahren unkritischer Verschreibung orthopädischer Apps. Er befürchtet, dass Patienten ohne individuelle fachärztliche Diagnostik und Beratung entweder die falschen Übungen anwenden oder empfohlene Übungen nicht an den individuellen Beschwerden ausgerichtet durchführen. „Ohne entsprechende Diagnostik können bei Rückenschmerzen Übungen das Gegenteil bewirken“, so Lembeck. Er empfiehlt hingegen eine App, die die fachärztliche Beratung mit einbindet.

Foto: intercongress

Jedes Unternehmen könne Gesundheits-Apps anbieten, ohne Nachweise für die Richtigkeit der Inhalte oder Garantien für die Seriosität der Beratung bei Fragen geben zu müssen. Krankenkassen verschreiben einige geprüfte, kostenpflichtige Apps, um ihren Mitgliedern bei Rückenschmerzen, Depression, Diabetes oder anderen Erkrankungen vorbeugend oder unterstützend Hilfe zu bieten. Bei orthopädischen DiGA-Apps (Digitale Gesundheits-Apps) kann die Kasse oder der Orthopäde beziehungsweise die Orthopädin eine App mit dem Ziel verschreiben, dass der Patient damit allein geeignete präventive oder rehabilitative Übungen durchführt. Und genau dort sieht der Experte ein Problem: „Wir Ärzte wissen nicht, ob der Patient mit der App die für ihn geeigneten Übungen auswählt. Ohne individuelle Beratung weiß kein Patient, worauf er achten muss. Der Heilungsprozess ist dann gefährdet. Im schlimmsten Fall verschlechtert der Patient seinen Gesundheitszustand.“ Lembeck sieht die positiven Chancen von Apps. Er bemängelt jedoch, dass mit den Gesundheits-Apps Untersuchung, Diagnostik und Beratung durch den Arzt nicht mehr im Zentrum der Behandlung stehen: „Gesundheits-Apps sind gut, wenn die orthopädische, individuelle Fachberatung aktiv integriert ist.“

Manche DiGA-Apps teurer als 15 Monate Facharztbesuch
Dass Ärzte beim Verschreiben eines DiGA-Rezeptes für eine App keinen Spielraum für eine begleitende individuelle Beratung sehen, erklärt der Experte: „Für das Verschreiben der App erhalten Orthopäden pauschal zwei Euro, inkl. Erklärung dazu.“ Der Fachmann bedauert diese Situation: „Wir Ärzte können nicht 15 Minuten für zwei Euro arbeiten.“ Ihn ärgert vor allem, dass die App beim Verschreiben lediglich 90 Tage nutzbar ist und dabei schon Kosten in Höhe von etwa 250 Euro verursacht. Nach 90 Tagen endet die Nutzung. Wer eine Verlängerung um 90 Tage wünscht, kann dies beantragen und verursacht weitere 250 Euro an Kosten. Der Experte rechnet vor: „Eine DiGA-App ist teurer als 15 Monate Facharztbesuch mit individueller Beratung. Für das Geld erhält der Patient alternativ elf Sitzungen Krankengymnastik, bei der Therapeuten eine individuelle Behandlung durchführen.“

Alternative: App mit individueller ärztlicher Fachberatung auch zu Hause
Lembeck befürwortet die Lösung OrthoHero, weil Patient und Arzt gleichermaßen aktiv beteiligt seien. Patienten erhalten von den Ärzten eine individuelle, ärztliche Beratung und passgenaue Verschreibung der Herodikos-App. Sie verbinde die individuelle ärztliche Beratung mit dem Coaching in der Praxis, kombiniert durch die Herodikos-App mit Rücken- oder Knieübungen zuhause. Seit Anfang Oktober 2021 steht Konzept den Patienten und Ärzten zur Verfügung und startet als Pilotprojekt in Baden-Württemberg.

„Mit OrthoHero“, so der Arzt, „begleiten wir den Patienten von der Anamnese über die korrekten Übungen bis hin zur Erfolgskontrolle. Fachliche Beratung und örtliche Unabhängigkeit sind nun stimmig.“ Neben individuellen Trainingsplänen biete die App die Möglichkeit, dass Ärzte aus der Ferne den Übungsverlauf verfolgen und kommentieren. Über eine Chatfunktion sei der direkt Austausch zwischen Arzt und Patient möglich. Lembeck: “So macht digitale Gesundheitsberatung erst Sinn.“ Einen weiteren Vorteil dieser App sieht der Präsident darin, dass Ärzte für ihre individuelle Leistung eine kostendeckende Vergütung erhalten.

Teilnahmeberechtigt an OrthoHero sind Fachärzte für Orthopädie, Orthopädie und Unfallchirurgie oder Physikalische und Rehabilitative Medizin mit Zulassung und Hauptbetriebsstätte als Vertragsarzt, Anstellung in einem MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) oder Ermächtigung im Bereich der Krankenversicherung Baden-Württemberg. Beteiligt sind als Kooperation der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie eingetragener Verein (BVOU), BKK-Landesverband Süd, Herodikos GmbH und Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg.

Foto: Andrey Popov/Adobe Stock
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